Berliner Pauli-Anhänger: Und alle wissen, wer gewinnt

Die Kneipe Astra in Neukölln ist Anlaufpunkt für hiesige St.-Pauli-Fans. Zum zehnjährigen Jubiläum zeigte sie noch einmal das legendäre Duell gegen Bayern

Zigarettenrauch und Wunderkerzen: In der Kneipe Astra ist die Stimmung fast wie im Stadion. Bild: dapd

Mit roter Jacke und Fanschal des FC Bayern München sitzt Jörg in der Astra Stube an der Bar. Gelassen nimmt der 34-Jährige einen Schluck Weißbier. Eigentlich passt er nicht in die Szenerie: An den Wänden hängen Schals und Trikots des FC St. Pauli. Und schon die Totenkopfflagge am Eingang der Neuköllner Kneipe zeigt, dass hier die Freibeuter aus Hamburg zu Hause sind. Aber auch Jörg, der gebürtige Münchner, wird nicht ausgeschlossen. "Stefan hat mir Freibier angeboten, wenn ich als Bayern-Fan herkomme", sagt er und zeigt auf den Kneipenchef Stefan von Bargen.

Von Bargen selbst sagt, er mache mit der Kneipe "seit anderthalb Jahren eine Art Herbergsvater-Ding": Zu jedem Zweitligaspiel des FC St. Pauli kämen rund 150 Leute in die Fankneipe. Nur selten kann Von Bargen seine eigene Dauerkarte nutzen und nach Hamburg zum Spiel fahren. Auch an diesem Abend wird das Spiel vor dem Fernseher verfolgt - aber es ist ein besonderes Spiel, und alle wissen schon, wie es ausgeht: Der FC St. Pauli tritt gegen den FC Bayern München an - vor genau zehn Jahren.

In der Aufzeichnung der kompletten 90 Minuten vom 6. Februar 2002 wird zu sehen sein, wie St. Pauli in seiner Abstiegssaison als absoluter Außenseiter den damaligen Weltpokalsieger FC Bayern München mit 2:1 schlägt. Noch heute tragen viele Fans glücklich ein T-Shirt, das an diesen Erfolg erinnert: "Weltpokalsiegerbesieger" steht darauf.

"Mein Tipp", sagt Bayern-Fan Jörg und lacht: "2:1 für Bayern." Wo er das Spiel vor zehn Jahren gesehen hat, habe er inzwischen verdrängt. Aber das letzte Aufeinandertreffen der beiden Clubs im Mai vergangenen Jahres habe er auch hier in der Kneipe verfolgt: "Das war sehr amüsant", erinnert er sich - Bayern gewann fulminant mit 8:1.

Ein anderer Jörg, ein Pauli-Fan allerdings, war beim 8:1 im Hamburger Millerntor-Stadion. Mit schwarzer Jacke sitzt der 28-Jährige zwei Meter neben Bayern-Jörg und trinkt sein Bier Marke Astra. "Noch nie habe ich beim Fußball so aufs Maul bekommen und Spaß dabei gehabt", erinnert sich der Fan an die herbe Niederlage.

Jetzt wird im Fernsehen die Aufstellung verkündet. Konfetti fliegt durch die von Zigaretten und Wunderkerzen verqualmte Luft, die Zuschauer beklatschen Spielszenen, als wären es eine Liveübertragung. Beim 1:0 für den FC St. Pauli kommt Bayern-Fan Jörg mit seinem Weißbier vom Tresen und sagt laut in den Jubel der St.-Pauli-Fans hinein: "Das kann ja mal passieren."

In der Halbzeit zeigt sich, dass selbst der St.-Pauli-Trainer von damals, Dietmar Demuth, in die Astra-Stube gekommen ist. Heute trainiert er den SV Babelsberg 03 in der dritten Liga. Viele Fans nutzen die Pause, um Fotos mit ihm zu machen. In der Halbzeit des Duells gegen Bayern habe er den Spielern noch gesagt, dass man so nicht weiterspielen könne, erinnert sich Demuth: "So lange wie möglich die Null halten." Die Jubiläums-Aktion an diesem Abend findet Demuth klasse. Seit dem Spiel damals habe er die Aufzeichnung nur einmal komplett gesehen, zur Analyse.

Spende an Babelsberg

Auch die Mitgliederbetreuerin des SV Babelsberg, Steffi Winkelmann, ist da. "St. Pauli ist ein großer Sympathie-Verein", sagt sie. Babelsberg verbinde eine enge Fanfreundschaft mit dem FC St. Pauli - auch Kneipier von Bargen trägt eine Mütze von "Nulldrei". Und ein Teil des Erlöses aus dem Revival-Abend wird an die Babelsberger gehen. Steffi Winkelmann schaut wieder auf den Bildschirm.

Beim Anschlusstreffer durch den FC Bayern München jubelt Bayern-Fan Jörg zum ersten Mal - und als einziger in der Kneipe. Alle lachen, dann ist das Spiel vorbei. "Die Niederlage kam überraschend", sagt Jörg. "Ich hätte nicht gedacht, dass wir nochmal verlieren." Dann hält Trainer Demuth eine kleine Ansprache: "Die Jungs haben gezeigt, dass man mit Leidenschaft und Herz alles erreichen kann", sagt er. "St. Pauli ist der geilste Verein, den ich je erlebt habe."

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