Berliner Presselandschaft: Die „Mottenpost“ ist Geschichte

Springer trennt sich von der „Berliner Morgenpost“. Die Redaktion zeigt sich geschockt. Muss das Blatt nun das Hochhaus an der Rudi-Dutschke-Straße verlassen?

Zuhause der MoPo: Das Springer-Hochaus. Bild: dpa

Online berichtete die Berliner Morgenpost am Dienstagmorgen gerade über streikende Schleusenwärter und Berliner Sterneköche, da verkündete in der Ullsteinhalle des Springer-Hochhauses Vorstandschef Mathias Döpfner auf einer Betriebsversammlung den Radikalschnitt: Die Morgenpost verlässt den Medienkonzern und wird mit sieben TV- und Frauenzeitschriften //www.taz.de/Verschiebung-auf-dem-Zeitungsmarkt/!120614/:an die Funke Mediengruppe, einstmals WAZ, verkauft.

Die MitarbeiterInnen vor Döpfner reagierten: entgeistert. Man sei „aus allen Wolken gefallen“, hieß es aus der Belegschaft. „Alle sind geschockt. Es gab im Vorfeld keine Anzeichen.“ Um kurz nach 9 Uhr am Morgen sei zu einer „Informationsveranstaltung“ eingeladen worden. Da dachten viele, es gehe um die gerade beschlossene Zusammenlegung der B.Z. mit der Bild-Lokalredaktion. Es kam anders. Auch Morgenpost-Chefredakteur Carsten Erdmann soll erst am Abend zuvor vom Verkauf erfahren haben. Der beschränkte sich am Donnerstag vorerst auf ein getwittertes „Change“.

Tatsächlich sind Ereignisse ein mittelschwerer Erdrutsch für den Berliner Zeitungsmarkt. Die Morgenpost ist mit täglich 118.000 Exemplaren nach B.Z. und Berliner Zeitung die drittgrößte Zeitung Berlins – wenn auch, wie die anderen Titel, seit Jahren mit sinkender Auflage. Zusammen mit den aussortierten Springer-Zeitschriften soll sie am 1. Januar 2014 für satte 920 Millionen Euro an die Funke Mediengruppe gehen. Langfristig, ließ Springer-Vorstand Döpfner wissen, sei die „Bündelung“ bei Funke für die „Marke und deren Mitarbeiter das Beste“.

Erst am Mittwoch verkündete Springer, dass sein Boulevardblatt BZ im November vom Kurfürstendamm nach Kreuzberg ins Springer-Haus ziehen und dort mit der Lokalredaktion der Bild in einer Redaktion arbeiten werde. Beide Zeitungen werden weiter einzeln verkauft, online soll es aber nur noch einen gemeinsamen Auftritt geben. Bild-Chefredakteur Kai Diekmann soll auch BZ-Herausgeber werden, BZ-Chefredakteur Peter Huth Diekmanns Vize bei der Bild. Bei den Mitarbeitern wird gespart: 50 Stellen fallen wohl weg. Die Fusion verkauft Springer als "digitale Offensive". (ko)

Markenkern der Morgenpost ist vor allem die breite Kiezberichterstattung – was ihr bisweilen das Image des Provinziellen verpasste und den Rufnamen „Mottenpost“. Zuletzt versuchte die MoPo beides abzuschütteln, warb in Kinospots mit jungen Tätowierten und Multikulti-Berlinern für sich. Unter den Qualitätsblättern dieser Stadt bedient sie aber weiter die konservative Leserschaft. In Leitartikeln sprach sie sich zuletzt gegen Rekommunalisierung aus und sah Berlin „mit der CDU auf einem guten Weg“.

An der Ausrichtung soll sich erstmal auch nichts ändern, so hieß es auf der Betriebsversammlung. Auch würden alle MoPo-Mitarbeiter übernommen. Nur für wie lange, fragt man sich dort. Denn die Funke-Gruppe zeigte sich zuletzt nicht zimperlich, strich bei der Westfälischen Rundschau die komplette Redaktion. Zudem ließ Döpfner intern mitteilen, dass es „ernsthafte Sorgen“ über die „dauerhaften Überlebenschancen“ der Morgenpost gab.

Wie die Neuaufstellung funktionieren soll, ist auch deshalb unklar, da die MoPo bisher die Regionalberichterstattung für die Welt liefert. Umgekehrt bezieht sie von dort überregionale Texte. Nicht wenige Mitarbeiter arbeiteten für beide Blätter, die nun zu Konkurrenten werden. „Bei welchem Verlag kommen die jetzt unter?“, fragten sich Angestellte. Auch ob die Morgenpost das Springer-Hochhaus verlassen muss, ist noch offen. Denkbar sei, hieß es, dass die Redaktion bleibe und Funke dafür Miete zahle. Anfang August soll es mehr Klarheit geben. Dann will Funke die Redaktion besuchen. Es dürfte ein reservierter Empfang werden.

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