Berliner Schule für Geflüchtete: Separat oder separiert?

Seit einem Jahr bleiben geflüchtete Jugendliche in der früheren Schöneberger Teske-Schule unter sich. Der Erfolg des Projekts ist umstritten.

Großes Klinkergebäude

Ort des „Bildungszentrums“ für geflüchtete Jugendliche: Die Teske-Schule in Schöneberg Foto: Dirk Ingo Franke/CC-Lizenz BY 4.0

Ein Schuljahr ist es mittlerweile her: Damals wurde am Tempelhofer Weg, zwischen dem Südkreuz und dem Schöneberger Euref-Campus, eine Schule nur für geflüchtete Jugendliche eingerichtet. Fragt man nun, kurz vor den Ferien, Beteiligte des Projekts nach ihrer Bilanz – die Reaktionen könnten unterschiedlicher nicht sein.

„Ein voller Erfolg“ sei das, was in dem seit 2013 ungenutzten Gebäude der Teske-Schule stattfinde, sagt Lehrer Winrich Widera. Dagegen fordert Hans-Jürgen Kuhn von der Bürgerinitiative „Schöneberg hilft“, das Projekt umgehend zu beenden: Die Bedingungen für gelingende Integration seien „schlechter als an jeder normalen Schule“, findet Kuhn, der in der Steuerungsgruppe der Bildungsverwaltung sitzt, die das Projekt begleitet. Die Geflüchteten würden im Tempelhofer Weg – trotz aller gegenteiligen Versprechen zu Schuljahresbeginn – weitestgehend separiert.

Der Schulversuch in der Teske-Schule polarisiert also weiter. Offiziell heißt das Projekt eigentlich „Bildungszentrum“: Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie hatte vor einem Jahr angekündigt, in dem alten Schulgebäude sogenannte Profilklassen für geflüchtete Jugendliche einzurichten. Zielgruppe sind demnach 15- bis 16-Jährige, denen an normalen Schulen der Anschluss nicht gelingt und folglich auch kein Abschluss – aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse, wegen schwierigen Sozialverhaltens oder weil sie in ihren Herkunftsländern kaum zur Schule gegangen sind.

In der Teske-Schule sollen die derzeit 43 Jugendlichen in sogenannten Profilklassen vor allem Deutsch lernen. Berufsorientierung soll der zweite Schwerpunkt sein: Betriebspraktika und Kooperationen mit berufsbildenden Oberstufenzentren seien geplant, versprach die Senatsverwaltung vor einem Jahr. Isoliert seien die Jugendlichen im Tempelhofer Weg keineswegs: Es sollte gemeinsamen Unterricht mit der benachbarten Hugo-Gaudig-Schule geben, und schließlich würden auch die Musikschule und die Volkshochschule des Bezirks in das Gebäude ziehen. Die Perspektive stellte sich die Bildungsverwaltung so vor: Nach maximal zwei Jahren an der Teske-Schule sollen die Teenager in berufsqualifizierende Maßnahmen wechseln – oder den Schulabschluss an einer normalen Schule anvisieren.

Für Montagabend lädt die Initiative „Schöneberg hilft“ zu einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung ins Schöneberger Rathaus. Mit VertreterInnen der Senatsbildungsverwaltung, des Bezirksamts und der Tempelhofer Hugo-­Gaudig-Schule will man über den Stand nach einem Jahr Teske-Schule sprechen: Welche Fortschritte haben die Jugendlichen gemacht? Welche Vor- und Nachteile sieht man nach einem Jahr Schulbetrieb? Beginn: 2.7., 18.30 Uhr, Rathaus Schöneberg, Raum 1110

„Fast nichts“ von den angekündigten Projekten sei umgesetzt, kritisiert nun Hans-Jürgen Kuhn, dessen Initiative nachmittags Nachhilfeunterricht im Gebäude gibt. Der gemeinsame Unterricht mit den Hugo-Gaudig-SchülerInnen sei nach ein paar Versuchen eingestellt worden: Die Lehrer dort hätten sich überfordert gefühlt. Mit der Volkshochschule und der Musikschule gebe es kaum Berührungspunkte. Und die Berufsorientierung? Zwar sei seit Februar das Forum Berufseinstieg in der Schule aktiv – aber die für das zweite Halbjahr versprochenen Betriebspraktika hätten nicht stattgefunden, sagt Kuhn. Vielleicht habe man auch zu schnell zu viel gewollt: „Seitens der Lehrer kam da eher das Signal, sich zunächst auf den Deutschunterricht konzentrieren zu wollen.“

Sprachliche Forschritte

Lehrer Winrich Widera verwahrt sich gegen die Generalkritik seitens der Initiative. Die Jugendlichen hätten besonders sprachlich große Fortschritte gemacht. Selbst die Alphabetisierungsklasse sei inzwischen nahezu auf dem untersten Deutsch-Niveau A1 angekommen. Fünf SchülerInnen besuchten inzwischen normale Schulen.

Und man solle doch mal bitte die SchülerInnen hier fragen, sagt Widera: „Die meisten fühlen sich hier wohl.“ Separation? Nein, findet der Lehrer. Er sehe in der Teske-Schule mit den kleinen Lerngruppe lieber einen „geschützten Raum“. Es stimme zwar, dass der gemeinsame Unterricht mit der Gaudig-Schule nicht geklappt habe – auch weil der Krankenstand dort hoch gewesen sei. Aber man nehme das für das kommende Schuljahr erneut in Angriff.

Auch Kuhn bestreitet nicht, dass viele Schüler sich wohlfühlten in der Teske-Schule. Trotzdem hält er die Schule für keinen guten Lernort: Noch immer gebe es weder Pausenraum noch Cafeteria, selbst Internet fehle im Gebäude. Das wiederum bemängelt auch Widera. Immerhin: Das Faxgerät im Sekretariat funktioniere. Und Wasser- und Stromanschlüsse für die Cafeteria seien inzwischen gelegt.

Dezentral als Alternative

Schulen aus dem ganzen Stadtgebiet können dem Schulamt in Tempelhof-Schöneberg SchülerInnen vorschlagen, für die das Projekt passen könnte. Laut Widera sollen auch im nächsten Jahr wieder rund 40 Jugendliche hier unterrichtet werden. Die Bildungsverwaltung äußerte sich bisher nicht.

Kuhn sagt, er verstehe nicht, warum es nicht möglich sei, für 43 Jugendliche anderswo Schulplätze zu finden. Vor allem, da der Druck längst abgenommen habe, viele Geflüchtete in kurzer Zeit in die Schulen zu bringen. Dabei betont Kuhn, dass er das pädagogische Konzept an sich nicht kritisiere: Es mache Sinn, bei dieser Altersgruppe Deutschunterricht und berufsorientiertes Lernen zusammenzudenken. „Aber warum nicht dezentral?“ Immerhin gebe es an vielen Berliner Schulen eine Kooperation mit dem Institut für Produktives Lernen, bei welcher genau diese Kombination aus Theorie und Praxis angeboten werde. Auch die Grünen in der BVV Tempelhof-Schöneberg forderten Ende Juni in einem Antrag eine „dezentrale Lernförderung“ statt Flüchtlingsschule.

Bequem für alle Verantwortlichen ist, dass sich die Debatte über die Teske-Schule in einigen Jahren von selbst erledigen könnte: Der Bezirk braucht das Gebäude dann als Grundschulstandort.

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