Berliner Verfassungsgericht: Letzte Klappe für Amateurfilmer

Grüne, Linke und Piraten klagen wegen Polizeiaufnahmen von Demonstrationen. Die Richter nehmen die Polizei in die Mangel.

Kamera läuft! Bild: dpa

Die umstrittenen Video-Übersichtsaufnahmen der Polizei bei Demonstrationen stehen auf der Kippe: Das Landesverfassungsgericht hat am Mittwoch über einen Paragrafen des Versammlungsgesetzes verhandelt – und die Richter hatten eine Reihe kritischer Fragen an Senat und Polizei. Das Urteil wird am 11. April verkündet.

Die Berliner Polizei hatte jahrelang auf Demonstrationen nicht nur einzelne Personen gefilmt, während diese gerade straffällig werden – was erlaubt ist, um Beweise zu sichern. Zusätzlich hatte die Polizei auch Übersichtsaufnahmen von friedlichen Demonstrationen gemacht, ohne dass dies durch ein Gesetz erlaubt gewesen wäre. Im Sommer 2010 urteilte das Verwaltungsgericht, dass die Polizei mit diesen Übersichtsaufnahmen aufhören muss, weil sie rechtswidrig sind. Die Koalition aus SPD und CDU entschied daraufhin, das Versammlungsgesetz zu ändern und die Aufnahmen ausdrücklich zu erlauben.

In dem Gesetz heißt es nun: Die Polizei darf Übersichtsaufnahmen machen, wenn es „wegen der Größe oder Unübersichtlichkeit“ der Demonstration „zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes erforderlich ist“. In den letzten zehn Monaten war das dreimal der Fall.

Gegen das Gesetz klagten Grüne, Piraten und Linke im Abgeordnetenhaus. In dem Verfahren geht es nicht um die gezielten Aufnahmen von Straftätern, sondern um die Übersichtsaufnahmen: Die Polizei darf hier nur im Weitwinkel die ganze Straße filmen, ohne zu zoomen, die Aufnahmen dürfen nicht zur Erkennung einzelner Demonstranten genutzt werden, und sie dürfen nicht gespeichert werden, sondern werden per Funk zur Einsatzzentrale übertragen.

Die Oppositionsparteien halten die Filmerei für unverhältnismäßig. Das Ziel der Aufnahmen sei, die Polizeiarbeit effizienter zu organisieren und Geld zu sparen. Der Nachteil wiege ungleich schwerer: Demonstranten würden abgeschreckt, das greife in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ein. Die Überwachung lasse „für den Bürger die Teilnahme an einer Versammlung als weniger attraktiv oder sogar riskant erscheinen“, sagte Klägeranwalt Sönke Hilbrans. „Ich kenne Personen in meinem Umfeld, die Sicherheitsbehörden gegenüber skeptisch eingestellt sind“, sagte der Piraten-Abgeordnete Christopher Lauer.

Hilbrans monierte außerdem, dass für einen Demonstranten nicht erkennbar sei, ob er damit rechnen müsse, gefilmt zu werden: Das hänge ja davon ab, ob die Polizei an diesem Tag personell so gut ausgestattet sei, dass sie auch ohne die Aufnahmen den Polizeieinsatz lenken und leiten kann.

Das Gesetz verlangt zudem, dass die Übersichtsaufnahmen „offen“ angefertigt werden. Die Richter befragten Polizeimitarbeiter Marco Langer ausführlich dazu, was das in der Praxis bedeute. Langer erläuterte, dass die filmenden Polizisten durch ihre Uniform erkennbar seien. Er musste auf Nachfrage der Richter einräumen, dass für den Demonstrationsteilnehmer nicht erkennbar ist, ob die Polizisten mit der Kamera auf Straftäter zoomen und die Aufnahmen speichern, oder ob sie Übersichtsaufnahmen machen, auf denen niemand zu erkennen ist.

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