Berlins Kinos trotzen der Berlinale: Licht im Schatten des Festivals

Nächste Woche startet wieder mal die Berlinale. Aber auch jenseits des Festivals ist gerade die beste Kinozeit - sagen die Betreiber der Berliner Kinos.

Film ab - auch jenseits von Wettbewerb, Panorama und Forum. Bild: dpa

Fast zwei Dutzend Berliner Kinos dürfen sich dieses Jahr rühmen, Berlinale-Kinos zu sein. Das ist eine ganze Menge. Ab Donnerstag breitet sich damit die Berlinale zehn Tage lang über die ganze Stadt aus – was auch so sein muss bei einem echten Publikumsfestival, als das die Berlinale sich rühmt.

Andererseits gastiert die Berlinale aber doch nur in einem kleinen Ausschnitt der Berliner Kinolandschaft. Schließlich finden sich in der Stadt beinahe 90 Lichtspielhäuser.

Aber was machen eigentlich diese Kinos, die nicht dazugehören zum exklusiven Kreis der Spielstätten, vor denen jedes Jahr im Februar ein paar Tage lang der rote Teppich ausgerollt wird? Stehen da die Popcornmaschinen still, weil alle potenziellen Kinogänger der Stadt nur noch Schlange stehen, um verzweifelt Karten für irgendwelche Panoramafilme zu ergattern? Oder brummt das Geschäft erst recht, weil so viele Kinoverrückte in der Stadt sind, die nach ihren Berlinale-Sitzungen noch den ein oder anderen Film aus dem regulären Programm mitnehmen wollen? Immerhin laufen gleich in der ersten Berlinale-Woche potenzielle Hits an wie „Blackhat“ von Michael Mann oder die umstrittene Nordkorea-Satire „The Interview“.

Dicht wegen der Berlinale

Wer sich mal wieder einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand des Weltkinos verschaffen will, bekommt dafür bei der Berlinale vom 5. bis 15. Februar genug Gelegenheit. Insgesamt sind in diesem Jahr bei der 65. Runde der Internationalen Filmfestspiele Berlin 441 Filme zu sehen. Womit im Vergleich zum vergangenen Jahr noch etwas draufgelegt wurde: 2014 waren es 409 Filme.

Als Berlinale-Begleiter gibt es in diesem Jahr auch - wie das bereits in Cannes, Venedig oder Locarno praktiziert wird - die "Woche der Kritik". Dabei zeigen vom 5. bis 12. Februar in den Kinos in den Hackeschen Höfen Filmkritiker eine handverlesene Auswahl von Filmen, die zugleich Ausgangspunkt für Diskussionen zu Aspekten von Kino und Filmkritik sein sollen. Info: wochederkritik.de

Eröffnungsfilm der Berlinale am Donnerstag ist Isabel Coixets "Nadie quiere la noche". Darin spielt Juliette Binoche eine Nordpolreisende des frühen 20. Jahrhunderts. 19 Streifen konkurrieren um den Goldenen und die Silbernen Bären. Über die Vergabe der Bären entscheiden unter anderem Daniel Brühl und Audrey Tautou, den Vorsitz der Jury hat der Regisseur Darren Aronofsky ("Black Swan"). Und ein Bär steht bereits fest: Wim Wenders wird am 12. Februar im Berlinale-Palast den Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk bekommen. Zehn seiner Filme, die meisten davon frisch digitalisiert und restauriert, sind auch in der Hommage zu sehen.

Karten dafür und für das sonstige Programm gibt es ab Montag, 2. Februar, wenn der zentrale Kartenvorverkauf startet, täglich von 10 bis 20 Uhr, und zwar in den Arkaden am Potsdamer Platz, dem Kino International (Karl-Marx-Allee 33), im Haus der Berliner Festspiele (Schaperstr. 24) und in der Audi City (Kurfürstendamm 195). Am Vorstellungstag gibt es Karten nur an den Tageskassen der Berlinale. Ab 2. Februar kann man unter www.berlinale.de auch online ordern. Und alles Wesentliche zur Berlinale liest man an den Festivaltagen auch in der taz.

Für das kleine Regenbogenkino, das sowieso nur von Freitag bis Montag Vorführungen hat, ist der Fall klar: Man macht den Laden während der Berlinale – außer für eine Sondervorführung – dicht. Und das sei, sagt Michael Hübinger von dem Kreuzberger Kiezkino, schon immer so gewesen: „Die Leute aus unserem Team gehen zu der Zeit auf die Berlinale. Wir wollen ja mitkriegen, was da so läuft, auch um Filme sehen zu können, die für unser eigenes Programm interessant sein könnten.“

Im Friedrichshainer B-Ware-Ladenkino geht dagegen alles seinen gewohnten Gang. „Wir machen ganz normal weiter“, sagt Alexander Lauber, einer der Betreiber des auch eher kuschelig klein gehaltenen Kinos. Kein Best-of-Berlinale-Gewinner-Sonderprogramm? Nicht irgendeine olle Kamelle von Wim Wenders, dem diesjährigen Ehrenregisseur der Berlinale? Nein, „es gibt keine Pläne, Berlinale-Publikum vom Potsdamer Platz wegzulocken“, sagt Lauber. Dass dann in der Nähe gerade eines der größten Filmfestivals der Welt stattfindet – im B-Ware wird man davon so gut wie nichts mitbekommen. „Im letzten Jahr war unser Kino während der Berlinale-Zeit vielleicht etwas mauer besucht als sonst“, sagt Lauber, „aber vielleicht täusche ich mich da auch.“

Ganz unterschiedlich wirkt sich die Berlinale auf die Kinos der Yorck-Gruppe aus, die in der Stadt eine ganze Reihe von Arthouse-Lichtspieltheatern betreibt. Drei ihrer Kinos werden während der Berlinale gänzlich für Vorführungen des Festivals genutzt, das Delphi, das Filmtheater am Friedrichshain und das International. In den übrigen Kinos der Gruppe läuft das normale Filmprogramm. Und das sei momentan nicht das schlechteste, meint Daniel Sibbers, der Pressesprecher der Kinogruppe. Weil eine Woche nach der Berlinale in Los Angeles die Oscars verliehen werden, drängen jetzt noch ein paar Oscar-Kandidaten in die Kinos, sagt Sibbers: „Gerade ist beste Kinozeit.“ Das werde auch vom Publikum so registriert. Wegen der Berlinale falle aber auch ein Teil des Stammpublikums weg. Unterm Strich würden sich das Plus wegen der Oscars und das Minus wegen der Berlinale ausgleichen, sodass es keinen wirklich Berlinale-Effekt gebe. Anders sehe das natürlich bei den Berlinale-Kinos aus, denen die Teilnahme am Festival imagemäßig einiges einbringe. „Wir sind glücklich, mit ein paar Kinos dabei sein zu dürfen“, sagt Sibbers.

Die Berlinale kommt, und wirklich alle Kinobetreiber in Berlin scheinen sich auf das Festival zu freuen. Auch André Pesek, stellvertretender Theaterleiter des Multiplexkinos Cinemotion in Hohenschönhausen. „Die Erfahrung in den letzten Jahren war ganz klar, dass während der Berlinale mehr los war bei uns“, sagt er. „Kinobesucher, die sonst vielleicht in einem der Multiplexe am Potsdamer Platz gelandet wären, kommen in der Zeit verstärkt zu uns, weil die Kinos am Potsdamer Platz für die Berlinale reserviert sind.“

Glücklich dank Berlinale, das ist auch Heiko Reichelt, Theaterleiter im Kreuzberger Eiszeit-Kino. Auf die Frage, was in seinem Kino so laufen werde, wenn gerade Berlinale ist, stellt er erst mal klar: „Wir sind ja auch Berlinale-Kino.“ Was stimmt, wenngleich die Berlinale nur einen einzigen Tag lang Gast in dem kleinen Szenekino sein wird, im Rahmen des Projekts „Berlinale goes Kiez“, dessen Anliegen es ist, einfach noch mehr Berliner Kinos in die Filmfestivalfamilie aufzunehmen und so die Berlinale ein Stückchen bürgernäher zu machen. „Imagemäßig ist das natürlich gut für uns“, sagt Reichelt, obwohl vor und nach dem Berlinale-Tag wohl keinerlei Festivalglamour in dem kleinen Traditionskino zu spüren sein wird.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.