Bertelsmann-Bilanz: Und ab jetzt wieder weiterwachsen

Der neue Chef verordnet dem Medienkonzern Bertelsmann eine neue Rechtsform. Die Macht der Eigentümerfamilie tastet das nicht an.

Bertelsmann-Chef Thomas Rabe in staatsmännischer Pose. Bild: dapd

BERLIN taz | Die kleine Sensation war gut versteckt: Erst auf Seite 16 des Redemanuskripts ging Bertelsmanns neuer Vorstandsvorsitzender Thomas Rabe bei seiner ersten Bilanzpressekonferenz auf die anstehende Änderung der Rechtsform ein. Da hatten die Bertelsmänner auf dem Podium schon eine ganze Stunde lang mit verteilten Rollen aus dem Papier vorgelesen, über Erfolge natürlich und künftige Erfolge und was sonst noch alles besser werden soll.

Das Ganze hatte den Charme eines Schüler-Vorlesewettbewerbs, bei dem Rabe scheinbar ganz en passant mitteilte, was sich bei Europas größter Medienkonzern fortan ändern wird: Bertelsmann, in den letzten Jahren ängstlich von seiner Eigentümerfamilie Mohn gegen zu große Veränderungen abgeschirmt, will wieder mitdrehen am ganz großen Rad. Und das Unwort Börsengang ist ausdrücklich nicht ausgeschlossen.

Bislang firmiert der Konzern als Aktiengesellschaft, die aber an keiner Börse notiert ist, sondern mehrheitlich der Bertelsmann-Stiftung gehört, wo wiederum die Mohns das Sagen haben. Das spart prima Steuern und sorgt über das angeblich so gemeinwohlige Engagement der Stiftung noch für ein gutes Image, dass sich auch auf den gesamten Konzern erstreckt.

Doch die Sache hatte einen Haken: Frisches Geld für Akquisitionen hatte Bertelsmann in den letzten Jahren nicht, zudem musste der Konzern 2006 ein milliardenschweres Aktienpaket zurückkaufen, um einen drohenden klassischen Börsengang – und damit den Kontrollverlust der Mohns – zu verhindern.

Den Pelz waschen

Jetzt soll aus der Bertelsmann AG eine SE & KG aA werden. Dieses Konstrukt soll Bertelsmann ermöglichen, sich den Pelz zu waschen, aber nicht noch mal nass gemacht zu werden: Die Mohns und die Stiftung behalten die volle Kontrolle über die Europäische Aktiengesellschaft SE, während das Unternehmen über die Kommanditgesellschaft auf Aktien Geld bei Investoren und strategischen Partnern einsammeln könnte – auch an der Börse. Zu sagen hätten diese allerdings nichts – die Macht von Bertelsmann-Matriarchin Liz Mohn bliebe unangetastet.

Das ist Bertelsmann: Europas größter Medien- und Dienstleitungskonzern gliedert sich in vier Geschäftsbereiche: RTL-Group (TV/Radio/Produktion), Random House (Buchverlage), Gruner + Jahr (Zeitschriften) und Avarto (Logistik, E-Commerce, IT-Services, DVD/CD-Produktion). Der Bereich Druckereien wird 2012 aus Avarto herausgelöst.

Das ist die neue Rechtsform: Eine SE & KG aA ist eine unternehmensrechtliche Mischform aus Europäischer Aktiengesellschaft (SE) und Kommanditgesellschaft auf Aktien. In dieser Rechtsform sind schon einige familiengeführte Großunternehmen organisiert, um Familieneinfluss erhalten und Kapital beschaffen zu können. Auch die DAX-Konzerne Merck (Chemie/Pharma), Fresenius (Gesundheit) und Henkel (Kosmetik) firmieren als SE & KG aA. (stg)

Die komplette Kehrtwende zeigt, wie sehr sich Bertelsmann schon jetzt unter seinem neuen Vorstandschef Thomas Rabe verändert. Dass dieser als ehemaliger Finanzvorstand den Laden in- und auswendig kennt, hilft dabei. Mit seiner leicht defensiv zur Schau getragenen Dynamik ist Rabe auch als Person das krasse Gegenteil seines Vorgängers Hartmut Ostrowski, der im Herbst 2011 so überraschend wie angeblich auf eigenen Wunsch den Hut nahm.

Der im bodenständigen Ostwestfälischen wurzelnde Ostrowski hatte dabei noch im August 2011 keinerlei Amtsmüdigkeit gezeigt. Und trat dann aber keine zwei Monate später „aus persönlichen Gründen“, so die Konzernmitteilung vom Oktober 2011, ab.

Ostrowski habe selbst um seine Ablösung „gebeten, weil er sich nicht sicher ist, ob er weitere fünf Jahre mit voller Kraft und voller Gesundheit arbeiten kann“, orakelte damals Bertelsmann-Aufsichtsratschef Gunter Thielen: „Die Gesundheit ist wichtiger, als diesen Job zu machen. Und es ist auch wichtig für das Unternehmen, dass es von einem Mann in Topform geführt wird.“

Keine großen Investitionen in Internetaktivitäten

Als der galt Ostrowski da schon nicht mehr, denn anstatt des versprochenen Wachstums folgte durch die Finanzkrise 2008 der mediale Teilabsturz. Ostrowski sparte und konsolidierte brav, verkaufte die Beteiligung am Musik-Joint-Venture Sony-BMG und wagte den Teilausstieg aus dem siechen Buchklub-Geschäft. Doch in seine nur vierjährige Amtszeit als Vorstandschef fällt kein einziger nennenswerter Zukauf.

Die gute Konjunkturentwicklung ab 2010 verstrich ungenutzt, bei Netzthemen fremdelte der Bertelsmann-Boss: „Ich sehe keine großen Investitionen in Internetaktivitäten“, hatte Ostrowski schon beim Amtsantritt 2007 beschieden, denn man sei dort schließlich eher zum Scheitern als zum Durchbruch verurteilt.

Solches Kleinbrötchenbacken passt jetzt einfach nicht mehr – er sei mit den Zahlen „nicht zufrieden“, sagte Rabe gestern mit schönster Deutlichkeit. Das Wachstum sei zu niedrig, die eigene Gewinnprognose verfehlt worden – der Konzernüberschuss sank 2011 auf 465 Millionen Euro nach 478 Millionen Euro im Vorjahr, auch der Umsatz stieg trotz fetter Konjunkturerholung nur um gerade einmal 1,2 Prozent.

Unter Rabe soll Bertelsmann jetzt wieder wachsen: in Indien, China und vor allem auf dem Geschäftsfeld Bildung. Allerdings – das hatte ein gewisser Hartmut Ostrowski auch schon mal genauso angekündigt.

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