Bertelsmann-Studie zum EU-Markt: Arme Länder profitieren nur wenig

Der EU-Freihandel bringt vor allem den Ländern etwas, die viel exportieren. Ein Land gewinnt besonders – obwohl es nicht mal EU-Mitglied ist.

Alter Mann geht an einem Graffiti und Schaufenster vorbei

„Friss die Reichen“-Graffito in Athen: Exportschwache Länder bringt der EU-Markt am wenigsten Foto: dpa

Reiche Regionen profitieren besonders vom gemeinsamen EU-Binnenmarkt. Regionen, die vor der Einführung des Freihandels in der Europäischen Union schon rückständig waren, bleiben hingegen abgehängt. So lässt sich die Studie zusammenfassen, in der die Bertelsmann-Stiftung berechnen ließ, wie sich der Binnenmarkt EU-weit auf die Einkommen auswirkt.

Die gute Nachricht: Grundsätzlich profitieren alle EU-Bürger vom Handel ohne Grenzkontrollen. Seit 1993 der gemeinsame Binnenmarkt in Kraft getreten ist, sind die Einkommen der Studie zufolge jährlich um rund 420 Milliarden Euro gestiegen. Das entspricht rund 2,5 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung. Pro Kopf sind das im Schnitt 840 Euro mehr im Jahr. Der EU-Binnenmarkt beschere den Europäern „ein Plus im Portemonnaie“, sagt Dominic Ponattu von der Bertelsmann-Stiftung.

Nur: die Unterschiede sind enorm. Während in Luxemburg der Einkommensgewinn bei 2.834 Euro pro Person liegt und auch die Deutschen aufgrund des EU-Binnenmarktes im Schnitt zusätzlich 1.046 Euro pro Kopf einnehmen, profitieren Regionen in Ost- und Südosteuropa von dem europäischen Freihandel sehr viel weniger.

Im ehemaligen Ostblock-Land Tschechien etwa liegt das Plus bei gerade einmal 666 Euro. Die prozentualen Zuwächse sind mit knapp vier Prozent jedoch die dritthöchsten in der EU. Griechenland und Zypern sind aber sowohl bei den Pro-Kopf-Gewinnen als auch beim Zuwachs die Schlusslichter. Sprich: Diese beiden Länder haben bislang am wenigsten vom EU-Binnenmarkt profitiert, waren 2011 jedoch am stärksten von der Eurokrise betroffen. Entsprechend hoch fällt bis heute die Strukturhilfe aus. „Nicht jeder profitiert gleichermaßen, aber alle gewinnen“, fasst Aart de Geus von der Bertelsmann-Stiftung die Studie zusammen.

Deutschland liegt über dem Durchschnitt

Die Forscher der Studie haben untersucht, wie der EU-Binnenmarkt sich auf die wirtschaftliche Entwicklung auf sämtliche rund 300 Regionen Europas ausgewirkt hat. Einkommensveränderungen sind ebenso berücksichtigt wie Änderungen der Produktivität.

Griechenland und Zypern bleiben trotz des europäischen Binnenmarkts abgehängt

Doch auch innerhalb eines Landes ist das Gefälle groß. Mit einem durchschnittlichen Plus von 1.046 Euro liegt Deutschland zum Beispiel insgesamt über dem europäischen Durchschnitt. Doch während Regionen in Baden-Württemberg, Oberbayern oder Hamburg auf Zuwächse von bis zu 1.500 Euro pro Jahr und Kopf kommen, sind die Einkommenssteigerungen in Brandenburg oder Sachsen-Anhalt mit weniger als 700 Euro vergleichsweise mau.

Ein Land allerdings profitiert besonders vom EU-Binnenmarkt, ist aber gar nicht Mitglied: die Schweiz. Mit fast 3.000 Euro pro Kopf und Jahr ist das Einkommensplus in der Eidgenossenschaft am stärksten. Im Großraum Zürich steigert der Binnenmarktzugang zur EU die Pro-Kopf-Einkommen gar um fast 3.600 Euro. Die Schweiz ist über zahlreiche bilaterale Verträge mit dem europäischen Binnenmarkt eng verbunden. Ähnlich stark profitieren vom EU-Binnenmarkt auch die Norweger.

In Großbritannien ist das Bild durchwachsen. London gehört zu den Profiteuren. Im Großraum Manchester hingegen ist der Zuwachs niedrig. In dieser einstigen Industrieregion war die Zustimmung für den Ausstieg Großbritanniens aus der EU besonders hoch.

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