Beschluss des UN-Menschenrechtsrats: Gewalt in Iran wird untersucht

Die UN richten eine Untersuchungskommission zur Gewalt gegen Protestierende in Iran ein. Die Mehrheit mussten sich Deutschland und Island erarbeiten.

Außenministerin Baerbock und UN-Hochkommissar für Menschenrechte Turk.

Außenministerin Baerbock und UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Turk, am 24. November in Genf Foto: Martial Trezzini/Keystone/dpa

BERLIN taz | Selbst für Insider war der Ausgang bis zuletzt nicht absehbar, am Ende war das Resultat aber überraschend klar: Der UN-Menschenrechtsrat hat am Donnerstag in Genf die Einrichtung einer Untersuchungskommission für die Gewalt gegen Protestierende in Iran beschlossen. Mit 25 zu 6 Stimmen nahm das Gremium eine entsprechende Resolution an; 16 Länder enthielten sich. Im Auftrag der Vereinten Nationen werden Ex­per­t*in­nen nun gerichtsfeste Beweise für Menschenrechtsverletzungen sammeln. Dem Resolutionstext zufolge sollen sie dabei explizit auch die „Gender-Dimension“ möglicher Verbrechen miteinbeziehen.

Über den Beschluss kann sich nicht nur die Protestbewegung in Iran freuen. Das Abstimmungsergebnis ist auch ein Erfolg für Außenministerin Annalena Baerbock: Zusammen mit Island hatte Deutschland die Resolution eingebracht. Im Inland war die Grünen-Politikerin in den vergangenen Wochen von Ak­ti­vis­t*in­nen und aus der Opposition kritisiert worden, weil die Bundesregierung trotz ihrer Ankündigung einer feministischen Außenpolitik spät auf die Repressionen in Iran reagiert hatte. Mit der UN-Resolution kann sie die Kritik nun kontern.

Als eine von wenigen Außenministerinnen war Baerbock sogar persönlich nach Genf gereist, um in der Ausschusssitzung für die Initiative zu werben. Schon zuvor hatte das Auswärtige Amt in Einzelgesprächen mit den übrigen 46 Mitgliedsstaaten des Gremiums um Unterstützung gebuhlt. Anders als im UN-Sicherheitsrat hat im Menschenrechtsrat zwar kein Land ein Veto-Recht. Für Entscheidungen reichen einfache Mehrheiten aus. Allerdings sitzen in dem Gremium etliche autokratisch regierte Länder wie China oder Katar.

Und auch der Iran war im Vorfeld nicht untätig. „Wir hören, dass auch das iranische Außenministerium viel telefoniert hat. Sie haben alle Hebel in Bewegung gesetzt und unseren Partnern ganz schön Druck gemacht“, sagt eine deutsche Diplomatin. Aus Verhandlungskreisen war am Donnerstag zu hören, der Iran habe mehreren europäischen Delegationen einen Deal angeboten: Wenn sich die Staaten bei der Abstimmung enthalten, würde der Iran inhaftierte Staatsbürger dieser Länder freilassen.

In der Debatte am Vormittag zeichnete sich aber früh ab, dass das Teheraner Regime zumindest mit diesem Angebot keinen Erfolg hatte. Vor allem von europäischen und anderen westlichen Staaten erhielt die Resolution dort Zuspruch. Baer­bock selbst sagte, das Regime verletzte durch seine Menschenrechtsverstöße „die Werte unserer Vereinten Nationen“. Die Abstimmung sei auch „ein Test für unseren Mut hier bei der UN, unsere Stimme zu erheben“. Ihre Rede beendete sie mit dem iranischen Slogan „Women, Life, Freedom“.

Regime spricht von Missbrauch

Der Iran hielt dagegen, indem er ebenfalls eine Frau in die Debatte schickte: Khadijeh Karimi, eine Funktionärin der iranischen Frauenbehörde. Sie warf „arroganten Staaten“ des Westens vor, den Menschenrechtsrat zu missbrauchen. Die Resolution sei „politisch motiviert“ und den „selbsternannten Menschenrechts-Weltmeistern“ fehle die Integrität, um andere Länder zu belehren: Mit seinen Anti-Iran-Sanktionen gefährde der Westen selbst das Leben iranischer Frauen und Kinder.

Länder wie Kuba, China und Venezuela sprangen dem Iran bei: Der Westen politisiere das Gremium, mische sich unter dem Deckmantel der Menschenrechte in innere Angelegenheiten ein und messe mit zweierlei Maß, wenn er zu Verstößen anderer Staaten schweige. Geholfen hat es nichts: Neben den genannten Staaten stimmten am Ende nur Armenien, Eritrea und Pakistan mit Nein. Ja-Stimmen gab es über den Block der westlichen Staaten hinaus unter anderem von Nepal, Somalia und Mexiko; Enthaltungen von Ländern wie Brasilien, Katar und Kasachstan.

Geholfen hat dabei womöglich, dass sich die Resolution streng auf die Gewalt gegen die Protestierenden beschränkt und andere Streitpunkte auslässt. Im Auswärtigen Amt wollte man dadurch dem Vorwurf zuvorkommen, die Menschenrechtslage für eine pauschale Anti-Iran-Kampagne zu missbrauchen. Waffenlieferungen an Russland für den Ukraine-Krieg oder das iranische Atomprogramm tauchen nicht auf.

Hilfreich war aber auch: Sowohl der Menschenrechtskommissar als auch der Iran-Sonderberichterstatter der UN sprachen sich für die Untersuchungskommission aus. Mit ihren bislang verfügbaren Instrumenten kommen sie nach eigenen Angaben nicht weiter, weil der Iran nicht kooperiert.

Symbolischer Erfolg

Mit dem Problem wird sehr wahrscheinlich auch das neue Untersuchungs-Team zu kämpfen haben. Der Iran wird die UN-Ermittler*innen wohl nicht ins Land lassen. Sie müssen also voraussichtlich mit Fotos, Videos und digitalen Zeugenbefragungen arbeiten.

Zunächst ist die beschlossene UN-Resolution damit vor allem ein symbolischer Erfolg, der den internationalen Druck auf den Iran erhöht. Praktische Auswirkungen werden die Untersuchungen darüber hinaus möglicherweise erst in der Zukunft haben, falls sich Verantwortliche des Regimes irgendwann vor Gerichten für ihre Taten verantworten müssen.

In Deutschland lässt dementsprechend die Union von ihrer Kritik an Baerbock und der Bundesregierung nicht ab. „Es reicht nicht, formale Verurteilungen beim UN-Menschenrechtsrat zu beantragen, denn das beeindruckt die Mullahs in keiner Weise“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Brand am Nachmittag. Es brauche „wirkungsvolle Schritte“. Lob kam dagegen von Menschenrechtsorganisationen. „Dieser wichtige und überfällige Schritt zeigt, dass die Rufe des iranischen Volks nach Gerechtigkeit endlich gehört wurden“, twitterte der Iran-Account von Amnesty International.

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