Besetzung eines Kohlebaggers in Garzweiler: Fundamentalerfahrung in Gewahrsam

Ihr Protest gegen den Braunkohleabbau brachte zehn Leute hinter Gitter, sie antworteten mit Hungerstreik. Der Polizei ging es um Abschreckung und Bestrafung.

Polizisten halten eine Gruppe am Boden sitzende Demonstranten in Schach

Am Rande des Tagebaus Garzweiler halten Polizisten eine Gruppe von AktivistInnen in Schach Foto: Bernd Lauter/images

Zehn teils sehr junge Menschen saßen fast eine Woche in Nordrhein-Westfalen in polizeilichem Gewahrsam. Sie hatten einen Braunkohlebagger im Tagebau Garzweiler II besetzt und danach das Vorlegen ihrer Personalien verweigert, um zukünftige Betretungsverbote zu vermeiden und mögliche Schadenersatzforderungen des RWE-Konzerns. So ekelhaft der Knast war, so wertvoll war er offenbar auch, der solidarische Hungerstreik inklusive. Es sei eine „Fundamentalerfahrung“ gewesen.

Im deutschen Polizeigewahrsam geht es, so die Lehre der Woche, sehr willkürlich zu, je nachdem, wo man landet. Manche Beamte seien höflich, sogar zugewandt gewesen, andere verhalten sich widerwärtig. Polizeiliche Willkür aber darf es in einem Rechtsstaat nicht geben. Offenbar sind PolizistInnen gar nicht vorbereitet auf solche Langzeitgewahrsamsfälle, vor allem dann nicht, wenn sie aus dem vertrauten Raster fallen.

Manche Polizeibeamte zeigten sich beeindruckt von diesen jungen Leuten, die sich so vehement auf Kosten ihrer zeitweiligen Freiheit für ein Leben ohne oder zumindest mit beherrschbarer Klimakatastrophe einsetzen. Wie lächerlich sind da sechs Tage Hunger! Wir alle haben bestätigt bekommen, dass es dem Staat gar nicht um die Identität ging, sonst hätte man vehementer weitergeforscht, wer da die Zellen belegt. Es ging um Abschreckung und Bestrafung.

Ähnlich geschehen 2018, als ein Kerpener Amtsrichter eine Hambach-Bewohnerin auch deshalb so harsch verurteilt, weil sie ihre Personalien für sich behielt. Ein Gewinn war die Woche auch für das bundespolitische Klima. Armin Laschet (CDU), der NRW-Ministerpräsident, der zeitlebens die RWE-Braunkohlegier hofierend abnickt und das rigide Landespolizeigesetz von 2018 initiiert hat, will Kanzler werden. Jetzt war er ungewollt Fortbildungsminister. Als Regierungschef wäre der Opportunist aus der Printenstadt eine ­Katastrophe.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.