Besetzung russischer Ortschaften: Geschwundene Glaubwürdigkeit

Der Angriff auf russische Dörfer war natürlich ein Angriff durch den Staat Ukraine. Er geht auch gegen die Kriegsmüdigkeit der eigenen Bevölkerung.

Dieses vom Telegram-Kanal des Gouverneurs der Region Belgorod, Gladkow, veröffentlichte Foto zeigt den Krater nach einer Explosion Ende April Foto: Handout/ap/dpa

Man stelle sich einmal vor: Da fahren schwer bewaffnete russische Staatsbürger mit Panzern, Artillerie und anderen Waffen in der Ukraine in Richtung russische Grenze, überqueren diese, beschießen und besetzen russische Ortschaften und die Spitze der Ukraine tut so, als habe sie mit all dem nichts zu tun. Wer erlebt hat, wie an der ukrainischen Grenze die Koffer der Menschen kontrolliert werden, der kann nicht glauben, dass es den ukrainischen Grenzern entgangen sein soll, dass an ihren Grenzen einige Dutzend bewaffnete russische Staatsbürger die Grenze überqueren. Eine Staatsführung, die so mit der Wahrheit umgeht, sollte sich nicht wundern, wenn man ihr nun auch in anderen Bereichen weniger Glauben schenkt.

Natürlich stellt sich die Frage, was die Ukraine mit diesem Angriff auf Russland bezwecken will. Will sie etwa Russland die Demokratie bringen? Russische Dörfer von der Putin-Diktatur befreien? Mit Artillerie, getöteten Menschen und dem bekannten Neonazi Denis Nikitin als Frontmann? Wohl kaum. Viel eher war es das Ziel, die russische Bevölkerung zu beunruhigen, das russische Militär mit einem unerwarteten Schachzug zu schockieren und gleichzeitig zu verhindern, dass das eigene Volk kriegsmüde wird.

Kriegsziele haben sich geändert

Und diese Ziele sind erreicht worden. Mit der Eroberung russischer Dörfer wächst die Begeisterung über die siegreiche ukrainische Armee. Auch wenn an diesem Angriff nur russische Staatsbürger beteiligt waren: Es war ein Angriff des Staates Ukraine auf den Staat Russland. Sonst wären diese Angreifer nicht mit ukrainischen Fahnen über die Grenze gekommen. Dieser Angriff zeigt auch: Die ukrainischen Kriegsziele haben sich geändert.

Es geht um Angriff, Verteidigung war gestern. Wie der Gegenangriff aussehen wird? „Fleischwolf“, so nannte Kyrylo Budanow, Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, die zu erwartende Gegenoffensive. Es sieht ganz so aus, als ob sich dieser Fleischwolf weiter durch das Land und über seine Grenzen hinaus wälzen wird.

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Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.

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