Besuch auf der Fanmeile: Deutschland. Ein Trauermärchen

Auf der Berliner Fanmeile ist bei dieser EM nichts vom 2006er „Schwarz-Rot-Geil“ übriggeblieben. Das ist gut so. Traurig macht ein Besuch trotzdem.

Als Rudi Völler verkleidete Deutschlandfans vor dem Brandenburger Tor

Vor der Fanmeile noch gut gelaunt: Völler-Doubles am Brandenburger Tor Foto: DPA

Am heutigen Samstag beginnen die Achtelfinalspiele der Fußball-EM. Wurden auf der Fanmeile bisher nur Vorrundenbegegnungen der deutschen Elf gezeigt, besteht nun die Chance, das gesamte Restturnier in trauter Masse zu konsumieren.

Neben der zeitlosen Kritik an Partypatriotismus auf Fanmeilen gibt es dieses Mal ein weiteres Argument gegen die Stadion­simu­lation: Die Stimmung auf der Fanmeile westlich des Brandenburger Tors ist unverschämt mies.

Sogar beim letzten Vorrundenspiel der Deutschen gegen Nordirland: Der Eingang ist zugemüllt mit Deutschlandfahnen. Vor der Hauptbühne herrscht Gedränge – man kommt kaum durch die Menge, ohne von besoffenen Fans angepöbelt zu werden oder anderen auf die Füße zu treten.

Doch je weiter man auf der Straße des 17. Juni Richtung Siegessäule voranschreitet, umso lichter wird es. Vor den restlichen sechs Bildschirmen harren nur noch wenige Fans aus, Sprechchöre sind eine Seltenheit. In der Halbzeit stehen plötzlich zwei Männer auf der Bühne und wollen der Menge einheizen. Trotz martialischer „Deutschland!“-Rufe regt sich beim lethargischen Publikum wenig. Beim fußballneutralen Beobachter vermengt sich das erbärmliche Bild mit Fremdscham.

Tod der deutschen Fanmeile

Nichtsdestotrotz prahlen die Veranstalter nach dem deutschen 1:0 mit 100.000 Fans auf der Fanmeile. Wahrscheinlich war das eine Null zu viel. Auch viele Budenbetreiber sehen das so: Mit dem Verkauf von Bier, Wurst und Cola würden sie bislang nur Verluste machen, kritisierten sie nach der Vorrunde. „Schleichender Tod der deutschen Fanmeile“, titelte eine Zeitung deshalb – nicht ganz unberechtigt.

Etwas Gutes hat das Erbärmliche trotzdem: Die Deutschlandliebe bei dieser EM kann nicht mehr die Gefühle vom 2006er „Sommermärchen“ mobilisieren. Trotz der Hitlergrüße, die es auch dieses Jahr gab: Fußballnationalismen scheinen weniger angesagt zu sein.

Dixi-Klos leider auch: Wer den Heimweg antritt, darf im Tiergarten Hunderte pissende Betrunkene begutachten. Es ist ein trauriges Gefühl, mit dem man die Fanmeile verlässt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.