Besuch des bolivianischen Präsidenten: Kuschel-Session mit Evo

Evo Morales galt anfangs als Symbolfigur für den linken Widerstand in Lateinamerika. Jetzt wird er Vorkämpfer für Wirtschaftsinteressen.

Merkel und Morales schütteln sich die Hand. Im Hintergrund Fahnen.

Angela Merkel und Evo Morales am Mittwoch in Berlin Foto: dpa

BERLIN taz | Bei seiner Wahl zum Präsidenten hatte man ihn 2006 unter Linken noch besonders gefeiert – Evo Morales ist in Bolivien der erste indigene Präsident, der nach einer langen Zeit der kolonialen Unterdrückung als der große Hoffnungsträger galt. Er bot den USA endlich die Stirn, er setzte einen Stop der Privatisierungen durch, und er bekämpfte die Armut in vielen Teilen seines Landes erfolgreich durch soziale Programme, die nicht von multinationalen Firmen diktiert wurden. Er besteuerte die Reichen. Mit dem Konzept des „plurinationalen Staates“ sollte verschiedenen Bevölkerungsgruppen das Ausleben ihrer Kultur ermöglicht werden.

Fast zehn Jahre später ist Evo Morales als bolivianischer Präsident immer noch im Amt. Und für einen Vortrag an der Technischen Universität Berlin während seiner Deutschlandreise wurde er immer noch von zahlreichen Anhängern bejubelt und beklatscht, als er in einem einstündigen Vortrag seine politischen Erfolge darlegte und mit Anekdoten ausschmückte.

Wie gut, dass der Amerika21-Redakteur Harald Neuber ihm bei der Selbstinszenierung kaum Sand ins Getriebe streute, als er ihm nach der Rede auf dem Podest einige entgegenkommende Fragen stellte.

Dabei fand es von der riesigen Fan-Gemeinschaft auch kaum jemand komisch, dass der antikapitalistische Präsident Morales sich auf dieser Reise mit der Kanzlerin eines Landes traf, das in der Weltgemeinschaft eine eher marktwirtschaftsfördernde Position innehat und nicht gerade gegen Neoliberalismus agiert.

Investorenschutz geht vor

Der Merkel-Morales-Treff am Mittwoch war an Harmonie kaum zu übertreffen. Die Kanzlerin fand nach dem Treffen mit dem bolivianischen Präsidenten nur lobende Worte.

Sie glaube, so Merkel bei der Pressekonferenz am Mittwoch, dass der bolivianische Justizapparat zum Beispiel noch Schwächen aufweise. Und bietet dem Drittweltland großzügig ihre Hilfe an, wenn es um die Verbesserung desselben geht. „Es ist gerade für die Investitionen ausländischer Unternehmen immer sehr wichtig, dass man Rechtssicherheit hat, dass man sich verlassen kann“, erläutert sie.

Tatsächlich fürchten ausländische Unternehmen oft, beim Landgrabbing und Ressourcen-Abbau von der lokalen Bevölkerung verklagt zu werden. Ein Glück, dass sich deutsche Juristen nun für sie einsetzen wollen. Dass mit dem Gesetz „Nr.351“ in Bolivien seit zwei Jahren Nichtregierungs-Organisationen zuhauf verboten und schikaniert werden, dürfte hingegen zu den Details gehören.

Ob Evo Morales bei all den Handelsbeziehungen mit Deutschland nun also doch die Idee der Freihandelsabkommen unterstütze, wird er auf der Pressekonferenz gefragt. „Wir haben jetzt ein großes Investitionsvolumen für neue deutsche Technologien und möchten so unserem Land weiter helfen“, erklärt Morales, der jahrelang gegen ausländische Fremdverwaltung der bolivianischen Rohstoffe gewettert hatte. Nun soll Siemens also doch kommen. Deutschland soll dabei „hilfreich im Zusammenhang mit der Frage des Bergbaus sein“, hilft die Kanzlerin ihm nach. Es geht dabei vornehmlich um den Abbau von Lithium.

Diese zunehmend extraktivistische Politik bringt in Bolivien indessen zahlreiche indigene Gruppierungen und Organisationen auf die Barrikaden, die ihre Gemeinden und Lebensräume bedroht sehen. Und nun also noch Bergbau mit Hilfe von Deutschland. Das Versprechen des Präsidenten, die andine Lebensweise der verschiedenen indigenen Völker zu respektieren, im Einklang mit der Natur, dürfte für die viele Bolivianer inzwischen verblasst sein.

Mit der USA-feindlichen Haltung nimmt Merkel es bei ihrem bolivianischen Amtskollegen angesichts seiner Verhandlungsbereitschaft nicht so genau. Sie habe mit ihm darüber gesprochen „dass die Vereinigten Staaten von Amerika jetzt zum Beispiel auch mit Kuba durchaus einen Neuanfang gemacht haben“, was nicht wenige Beobachter auch als Drohung verstehen mögen.

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