Betreuung eines 13-jährigen Attentäters: Salafist therapiert Islamist

Vor einem Jahr hatte der Junge eine Bombe auf einem Weihnachtsmarkt deponiert. Einer seiner Psychologen gehörte der salafistischen Szene an.

Menschen laufen auf einem Weihnachtsmarkt herum

Hier soll der Jugendliche versucht haben, eine Bombe zu zünden (Archivbild 2016) Foto: dpa

MAINZ taz | „Niemand war auf die Unterbringung eines radikalisierten Kindes vorbereitet.“ So kommentierte die grüne Staatssekretärin aus dem rheinland-pfälzischen Jugendministerium, Christiane Rohleder, am Dienstag die schwere Panne bei der Unterbringung des Bombenlegers von Ludwigshafen. Die Behörden mussten auf einer Pressekonferenz Medienberichte bestätigen, nach denen der 13-jährige mutmaßliche Islamist, der im vergangenen Jahr eine Bombe auf dem Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen deponiert hatte, zeitweise von einem Psychologen aus der salafistischen Szene betreut wurde.

Sie sei „schockiert“ gewesen, als sie am 19. Mai davon erfahren habe, so die Staatssekretärin. Man habe die Panne nicht öffentlich gemacht, weil eine intensive Berichterstattung „kontraproduktiv“ für die Entradikalisierung des Kindes gewesen wäre.

Erst mit Vollendung des 14. Jahres ist ein Kind in Deutschland strafmündig. Deshalb waren die Behörden zunächst ziemlich ratlos. An den Motiven des damals 12-Jährigen gab es keinen Zweifel: Er posierte mit dem erhobenen rechten Zeigefinger der Salafisten im Internet. Mit seiner Nagelbombe hatte er auch seine Gewaltbereitschaft unter Beweis gestellt.

Das zuständige Jugendamt Ludwigshafen habe damals dringend nach einer Einrichtung für den Jungen gesucht. „Wir haben mehr als 100 Absagen von möglichen Trägern bekommen“, so Amtschef Jürgen May. In den ersten Wochen nach dem gescheiterten Anschlag war das in Deutschland geborene Kind irakischer Eltern zeitweise sogar in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht.

Am 27. Februar verfügte schließlich das zuständige Familiengericht mit Zustimmung der Eltern eine Unterbringung in einer geschlossenen Jugendeinrichtung. Nach einer „Zwischenlösung“ seien der Junge und seine Eltern seit Anfang April in einer bewachten „Immobilie außerhalb Ludwigshafens, an einem sicheren Ort, sicher für ihn und die Bevölkerung“, untergebracht, so der Jugendamtschef; der Junge werde rund um die Uhr von Fachleuten und LehrerInnen betreut.

Allerdings gehörte immerhin sechs lange Wochen lang ein 30-jähriger Psychologe aus Baden-Württemberg zum Betreuungsteam, der an salafistischen Propagandaaktivitäten beteiligt war und in einschlägigen Moscheen verkehrt. Der Mann habe sich mit „sauberen Zeugnissen und einem sauberen erweiterten Führungszeugnis“ beworben und sei im April „wegen seiner Qualifikationen“ vom Träger der Einrichtung eingestellt worden, so May. Zeitnah sei damals eine erweiterte Sicherheitsprüfung veranlasst worden.

Jürgen May

„Der Junge hat diesen

Mann eher als ‚Weichei‘

wahrgenommen“

Doch erst am Abend des 18. Mai, sechs Wochen später, seien beim Mainzer Landeskriminalamt die entscheidenden Hinweise eingegangen, berichtete dessen Präsident Johannes Kunz. Hat also erneut der Austausch von Erkenntnissen unterschiedlicher Stellen von Bund und Ländern zu lange gedauert?

Jugendamtschef May glaubt nicht, dass dem Jungen der zeitweilige Umgang mit dem salafistischen Psycholgen geschadet hat: „Der hat diesen Mann eher als ‚Weichei‘ wahrgenommen“, so May. LKA-Chef Kunz hält den Jungen nach wie vor für „gefährlich“.

Die Behörden hoffen trotzdem auf eine erfolgreiche Entradikalisierung. „Er muss schließlich auch mit Gleichaltrigen zusammenkommen, eine dauerhafte Isolierung eines 13-Jährigen kann es nicht geben“, sagte May.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.