Betrugsvorwürfe bei Präsidentschaftswahl : Selbst im Weltall wird gewählt

Putin liegt bei den russischen Präsidentschaftswahlen vorne. Allerdings gingen bereits mehr als 1.000 Beschwerden ein – trotz Einsatz von 90.000 Überwachungskameras.

Wo ist die Überwachungskamera? Russischer Marinesoldat bei der Wahl auf der russischen Flottenbasis in Sewastopol. Bild: dapd

MOSKAU dapd | 100 Prozent Wahlbeteiligung! Jedenfalls auf der Internationalen Raumstation ISS. Über eine abhörsichere Verbindung zwischen der Bodenstation bei Moskau und dem Außenposten der Menschheit in rund 350 Kilometern Höhe über der Erde gaben die drei dort ansässigen russischen Raumfahrer ihre Stimme ab. Für wen bleibt natürlich vorerst unbekannt.

Den ersten Umfragen zufolge aber liegt Präsidentschaftskandidat Vladimir Putin bei den Wahlen zum Präsidenten deutlich vorne und kann mit einer Rückkehr ins höchste Staatsamt Russlands rechnen. Bis zum Mittag registrierten unabhängige Walhbeobachter in Moskau allerdings landesweit bereits mehr als 1.000 Beschwerden über Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung. Dazu zählten fragwürdige Wählerlisten, nicht funktionierende Webcams und Meldungen über Busse, in denen "Karussell-Wähler" vermutet wurden, die zur Stimmabgabe in mehrere Wahlbezirke gebracht worden sein könnten.

Seit der umstrittenen Parlamentswahl im Dezember wurden die mehr als 90.000 Wahllokale in Russland mit Webcams ausgestattet. Zehntausende Russen wurden von Aktivistengruppen als Beobachter geschult. Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat Beobachter entsandt. Nach Ansicht der OSZE ist die Videoübertragung keine Garantie für einen korrekten Ablauf.

Hohe Wahlbeteiligung

Putin war bereits von 2000 bis 2008 Präsident. Eine direkte dritte Amtszeit verwehrte ihm die Verfassung. Er wechselte ins Amt des Ministerpräsidenten und überließ seinem Gefolgsmann Medwedew das Präsidentenamt. Bei einem Sieg am Sonntag tritt Putin als erster eine sechsjährige Amtszeit an. Mit einem weiteren Sieg 2018 könnte er fast ein Vierteljahrhundert mächtigster Mann in Russland werden - die längste Zeit seit Josef Stalin Mitte des vergangenen Jahrhunderts.

Bei der Präsidentschaftswahl in Russland rechnet die Wahlkommission mit einer hohen Beteiligung. Im fernen Osten des Landes deute vieles darauf hin, dass sich insgesamt vermutlich mehr Menschen an der Abstimmung beteiligt hätten als an der Parlamentswahl Anfang Dezember, teilte die Wahlkommission am Sonntag mit. Obwohl im viel bevölkerten europäischen Teil Russlands erst vor kurzem die Wahllokale öffneten, liege die Beteiligung bereits bei über zwölf Prozent. Im Westen Russlands sollten die Wahllokale am Sonntag um 18.00 Uhr (MEZ) schließen.

Im äußersten Osten hatten sie bereits am Samstagabend um 22.00 Uhr (MEZ) geöffnet. Wegen der Größe des Landes und der verschiedenen Zeitzonen erstreckt sich die Präsidentschaftswahl auf insgesamt 21 Stunden. Mit ersten Hochrechnungen wird bereits am späten Sonntagabend erwartet.

Ungeachtet der Empörung nach der von Vorwürfen überschatteten Parlamentswahl und den folgenden Protesten - den größten in Russland seit dem Ende der Sowjetunion vor 20 Jahren - lag Putin in Umfragen vor dem Urnengang vom Sonntag bei rund 60 Prozent.

In der Volkswahl benötigt ein Bewerber, um direkt zu gewinnen, in der ersten Runde mindestens 50 Prozent der Stimmen. Erreicht dies kein Kandidat, kommt es zur Stichwahl zwischen den beiden Bewerbern mit den meisten Stimmen. Laut russischer Verfassung darf diese zweite Runde nicht früher stattfinden als zwei Wochen nach Verkünden des amtlichen Endergebnisses der ersten Runde. Damit soll den Behörden Zeit gegeben werden, mögliche Einsprüche zu prüfen und die Abstimmung vorzubereiten. In der Stichwahl gewinnt der Kandidat mit den meisten Stimmen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.