Bewerbung für Olympia 2020: Klotzen am Bosporus

Boomtown Istanbul möchte die Sommerspiele im Jahre 2020 ausrichten. Schon jetzt beginnt die Planung, um große Infrastrukturprojekte zu stemmen.

Umbau für Olympia: Im Inönü-Stadion soll 2020 Rugby gespielt werden. Bild: dpa

ISTANBUL taz | Falls es am Samstag schiefgehen sollte, stehen die Schuldigen schon fest. „Es ist ja klar“, sagte Egeman Bagis, in der türkischen Regierung zuständig für Europafragen, „dass die Marodeure und Aufwiegler der Gezi-Bewegung dem Image von Istanbul im Ausland schwer geschadet haben.“

Soll heißen: Falls das IOC am Samstag Istanbul nicht den Zuschlag für die Olympischen Sommerspiele 2020 gibt, ist die Demokratiebewegung schuld.

Aber noch gibt man sich siegesgewiss. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan persönlich wird die türkische Delegation nach Buenos Aires anführen. Schon viermal hat Istanbul sich vergeblich um die Austragung der Spiele beworben, doch dieses Mal, so glauben Regierung, Funktionäre und die Spitzen der türkischen Wirtschaft, stehen die Chancen gut.

„Wir bieten dem IOC die Möglichkeit, Geschichte zu schreiben“, tönte Hasan Arat, Chef des türkischen Bewerberkomitees. „Istanbul wäre der erste Austragungsort auf zwei Kontinenten, Istanbul wäre die erste Olympia-Stadt mit überwiegend muslimischer Bevölkerung, und Istanbul wäre der erste Austragungsort, an dem nahezu die Hälfte der Bevölkerung unter 25 Jahre alt ist. Ein großes Potenzial, dass der Sport hier zu gewinnen hätte.“

Das offizielle Budget, eine Mogelpackung

Tatsächlich ist Istanbul zurzeit eine der angesagtesten Städte der Welt. Die Besucherzahlen steigen ständig, dass ökonomische und kulturelle Gewicht der Stadt in der gesamten Region ist so groß wie seit dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches vor 100 Jahren nicht mehr, und die Stadt zieht so viel Kapital an, dass sie die teuren Spiele wohl stemmen könnte.

Auch wenn auf den Straßen Istanbuls davon bis jetzt wenig zu spüren ist, die Bewerbung wird nicht nur von der Regierung und Wirtschaft, sondern auch von der großen Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. „Rund 80 Prozent der Menschen in der Türkei wollen die Spiele in Istanbul“, zitiert Arat Umfrageergebnisse.

Wie es ihrer großsprecherischen Art entspricht, hat die Regierung angekündigt, sie würde für die Spiele ein Budget von 19,7 Milliarden Dollar bereitstellen – für Infrastruktur und den Bau der Sportstätten.

Das hört sich gigantisch an, entpuppt sich bei näherem Hinsehen aber als Mogelpackung, weil der Großteil dieser Summe für Projekte vorgesehen ist, die sowieso gebaut werden sollen. Dazu gehören ein neuer Großflughafen, eine dritte Brücke über den Bosporus und der Ausbau der Metro. Ausschließlich für Olympia wird „nur“ mit 3 Milliarden Dollar geplant.

Politische Einwände

Im Westen der Stadt gammelt noch das „Atatürk-Olympiastadion“ vor sich hin, aber auch das wird demnächst generalüberholt. Das Olympische Dorf und etliche Sportstätten sollen im Norden der Stadt, nah am Schwarzen Meer, entstehen, in einer Gegend, die die AKP-Regierung ohnehin für einen neuen Stadtteil erschließen will.

Läuft also alles auf Istanbul zu an diesem Samstag? Ein paar Fragen gibt es noch. Außer dem Stirnrunzeln, welches das brutale Vorgehen der Erdogan-Regierung gegen die Gezi-Demonstranten hervorrief, ist die Türkei derzeit auch als Nachbarland zu Syrien in den Schlagzeilen.

Hasan Arat versucht, die Befürchtung kriegerischer Verwicklungen mit dem Hinweis zu zerstreuen, die syrische Grenze sei von Istanbul doch mehr als 1.000 Kilometer entfernt.

Bisher kein sportliches Schwergewicht

Schwerwiegender als diese politischen Fragen sind aber die genuin sportlichen Einwände. Die Türkei ist seit Wiederbelebung der olympischen Idee in der Neuzeit nicht gerade als sportliches Schwergewicht aufgefallen. Zwar ist die Begeisterung für Fußball groß, aber Leichtathletik, Schwimmen, Reiten oder Segeln sind in der Türkei bis heute nur Randsportarten.

Kann sich bis 2020 daran etwas ändern? Es gibt in den letzten Jahren vor allem Läuferinnen, die auch international mithalten können. Während in Athen nur zwei von ihnen für die Türkei antraten, waren es in Peking schon 20. „Olympia ist für uns auch eine sportliche Mission“, entgegnet Hasan Arat auf solche Einwände.

Kritiker der Bewerbung, von denen sich bislang noch nicht viele hervorgewagt haben, sehen das anders. Mücella Yapici, Vorsitzende der Istanbuler Architektenkammer und eine der Sprecherinnen der Gezi-Bewegung, glaubt, dass die AKP-Regierung Istanbul zu einer Global City machen will, einem Finanzzentrum und Mekka für Investoren, in dem die Bevölkerung kaum noch zählt: „Olympia wäre ein weiterer Schritt in diese Richtung.“

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