Biere und Comics aus Flandern: Komplexer Hopfen, schlichte Witze

Flandern wird Gastland auf der Frankfurter Buchmesse sein. Vorab brachten die Flamen einen Biersommelier und den Comiczeichner Nix nach Berlin.

Eine Comiczeichnung von zwei Mädchen in roten Kleidern, drumherum jede Menge Kleinkram

Haben es faustdick hinter den Ohren: Kinky und Cosy, hier auf ihrem deutschen Buchcover Illustration: Nix / Avant-Verlag

Der Zapfhahn ist in eine ausrangierte Bohrmaschine eingelassen. Darauf steht ein ausgestopfter Igel, dahinter ein vollbärtiger Mann und daraus kommen handgebraute Bierspezialitäten, die meisten mehr als 5 Prozent Alkoholgehalt. Das „Hopfenreich“ erfüllt optisch alle Klischees, die man sich von „Berlins erster Craft-Beer-Bar“ erwartet.

In Deutschland ist Craft Beer ein ordentlich durchgehypter Food-Trend, in Belgien ist es schlicht Tradition. Die Bierlandschaft dort, frei von den Fesseln des Reinheitsgebots, besteht aus den verrücktesten obergärigen Sorten, viele von ihnen hochprozentig.

Passenderweise gibt es noch eine weitere belgische Spezialität, die in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren einen enormen Imagesprung hin zum Besprechungsgegenstand von Feuilletons und Wochenendmagazinen gemacht hat: Comics. Und was läge da näher, als diese beiden Bereiche zu einem PR-Event zu kombinieren? Einiges vermutlich – aber die belgische Region Flandern ist, gemeinsam mit den Niederlanden, Gastland der Frankfurter Buchmesse, die beginnt in knapp fünf Wochen, und die Publicity-Maschine läuft sich langsam warm.

Für beide Bereiche ist am Mittwochabend im Hopfenreich je ein Experte anwesend, und beide machen ihren Job sehr gut. Der Comiczeichner Marnix Verduyn alias Nix schlüpft in die Rolle seiner populärsten Figuren: Kinky und Cosy. Das sind Zwillingsschwestern im Grundschulalter mit einer simpsonsesken Elternkombination, die er in Drei-Bild-Strips lustige Abenteuer erleben lässt. Beim Festival in Angoulême wurde er dafür einst für das „beste humoristische Album“ ausgezeichnet und in Brüssel ist eine Straße nach den beiden benannt.

Zeichnen mit dem Mund und zwei Händen

Außerdem gibt Nix, im Stile eines schmierigen Motivationscoaches („Think big or don’t think at all“), einen Comiczeichenkurs: erst mit der einen, dann mit der anderen Hand, dann mit dem Mund und schließlich – denn die dreifache Zeichengeschwindigkeit bringt auch den dreifachen Erfolg – mit allem gleichzeitig sollte Cosy gezeichnet werden. Wer will, kann das als Seitenhieb auf die prekären Arbeitsverhältnisse von Kreativarbeitern im Allgemeinen und Comiczeichnern im Speziellen lesen.

Die Entertainerqualitäten von Nix wird man auch in Frankfurt erleben können, er ist auf der Buchmesse mit einer Lesung und seiner begehbaren Installation „The Kinky & Cosy Experience“ vertreten.

Dazwischen stellt der Biersommelier Nicolas Soenen vier Biere vor und gibt dazu interessante Erklärungen ab. So weiß ich nun, dass belgische Biere oft doppelt gegärt werden: erst im Fass, dann in der Flasche. Oder dass das India Pale Ale entstanden ist, weil die Briten ihr Bier auf dem langen Schiffsweg nach Indien durch eine Extraportion Hopfen länger haltbar machten. Oder dass die besseren Sorten des Kirschbiers unter Zugabe echter Sauerkirschen gebraut werden, und dass ein Duvel im Glas trüb oder klar aussehen kann, je nach Einschenkverhalten.

Geschmackssache Humor

Nun haben Bier und Comics noch eine weitere Gemeinsamkeit: Sie sind Geschmackssache. Beim Bier war meine Bilanz ausgeglichen. Das Strong Golden Ale Duvel schmeckte überraschend mild für seine 8,5 Prozent, ein wenig fruchtig auch. Beim IPA Vedett Extra überzeugten mich neben dem Geschmack insbesondere der Geruch und das Glasdesign. Das nach getrockneten Früchten riechende Abteibier Maredsous war mir zu dunkel, also von der gesamten Idee her. Und Kriek kann ich schlicht nicht als Bier akzeptieren, sorry.

Beim Comics sieht es weniger gut aus: „Kinky & Cosy“, im Mai beim Berliner Verlag Avant auf Deutsch erschienen, finde ich nämlich unheimlich unlustig. Der Humor von Nix will böse und schwarz sein, ist aber von einer bräsigen 80er-Jahre-Haftigkeit, die sich auch nach dem vierten Glas nicht schöntrinken ließ.

So waren Getränke und Literatur an diesem Abend ein Gegensatzpaar: Belgisches Bier lässt sich nicht schnell runterkippen, ist komplex, tiefgründig und voller Überraschungen. „Kinky & Cosy“ liest sich sehr schnell, die Strichführung ist angenehm klar und die Witze sind flach und berechenbar.

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