Bildende Kunst zur NS-Zeit: Lebenselement Freiheit

In einer Vortragsreihe der Stiftung Topographie des Terrors zur Kunst im NS-Staat stellen Wissenschaftler aktuelle Forschungsergebnisse in Berlin vor.

Die Stiftung „Topographie des Terrors“ veranstaltet den Vortrag zur Situation der bildenden Kunst. Bild: dpa

Seit jenem Moment, als Pegida-Demonstranten „Je suis Charlie“-Plakate mitführten, wundert es einen nicht mehr, dass ein NS-Studentenführer 1933 ausdrücklich feststellte: „Lebenselement der Kunst ist die Freiheit“. Er forderte diese ein, weil er in Opposition zum führenden NS-Ideologen Alfred Rosenberg stand; es ging um die These, dass der Expressionismus als letzte große deutsche Kunsterhebung doch genuiner Ausdruck nationalsozialistischer Weltanschauung sei.

Nicht, dass Otto Andreas Schreiber etwas von Kunstfreiheit hielt. Der Vorsitzende des NS-Studentenbundes konnte sich – wie auch die anderen Verteidiger des Expressionismus – aber nicht gegen Rosenberg durchsetzen, der im Zweiten Weltkrieg die großen Kunstraubzüge für Hitler organisieren sollte.

Die 1933/34 geführte Debatte über den Expressionismus als einem deutschen Stil war das Thema, das Eckart Gillen im ersten Block der Veranstaltungsreihe „Kunst im NS-Staat. Ideologie, Ästhetik, Protagonisten“ vorstellte, der den bildenden Künsten gewidmet war. Mit der Veranstaltungsreihe greift die Stiftung Topographie des Terrors in Berlin einen Anstoß des Historikers und ehemaligen Leiters des Zentrums für Antisemitismusforschung, Wolfgang Benz, auf.

In den kommenden Monaten werden nun Literatur, Theater, Film, Architektur und Musik verhandelt. So umfassend vorgestellt und diskutiert sei NS-Kunst bis dato nicht verhandelt worden, verneigte sich der Leiter des ersten Colloquiums, Wolfgang Ruppert, Professor für Politik- und Kulturgeschichte an der Berliner Universität der Künste, vor den Initiatoren.

Deutsche Kunst versus Entartete Kunst

Er vertrat Eckart Gillen, der sein Manuskript nicht selbst vortragen konnte. „Zackig … schmerzhaft … ehrlich“ überschrieben, führt er darin die Debatte bis an die Anfänge des Expressionismus vor dem Ersten Weltkrieg zurück. Schon da bildete sich bei einer rechten Strömung innerhalb der Avantgarde die Auffassung von einem besonderen deutschen Kunstwollen heraus, das sich expressiv artikuliere.

Die Enttäuschung des überzeugten Nazi-Parteigängers Emil Nolde, anstatt seinen künstlerischen Beitrag zum wiedererstarken Deutschland gewürdigt, in der Ausstellung „Entartete Kunst“ verfemt zu sehen, und seine bis zuletzt gehegte Hoffnung, einer Anerkennung des expressiven Kunstschaffens im NS-Staat, wurzeln in dieser Vorstellung von der Eingleisigkeit von Expressionismus und Nationalismus.

Mit der berüchtigten Ausstellung von 1937 und der parallel dazu eröffneten jährlichen „Großen Deutschen Kunstausstellung“ kommen die zwei Begriffe ins Spiel, von deren Wirkungsmacht Wolfgang Ruppert noch heute ausgeht. Denn identifizierten die Ordnungsbegriffe Deutsche Kunst versus Entartete Kunst bis 1945 gute Kunst versus schlechte Kunst, benannten sie nach dem Zweiten Weltkrieg schlechte Kunst versus gute Kunst; bleiben damit aber in ihrer Funktion erhalten.

Mit der nach 1945 schlechten Kunst von vor 1945 setzten sich dann Josephine Gabler, Leiterin des Museums Moderne Kunst in Passau, und Christian Fuhrmeister, Privatdozent an der Ludwig-Maximilians-Universität München, auseinander.

Außenseiter im NS-Staat

Fuhrmeister skizzierte die Karriere Adolf Zieglers, die steil, aber auch merkwürdig war. Der Reichsschamhaarmaler, wie ihn Spötter nannten, kam als von Hitler protegierter Außenseiter, als weitgehend unbekannter Maler, der von Blumenstillleben und Porträtaufträgen – unter anderem auch von wohlhabenden jüdischen Familien – lebte, in den NS-Kunstbetrieb.

Und er blieb dort auch dieser Außenseiter, mit Ausnahme der Jahre 1936 bis 1939, als er als Präsident der Reichskammer der bildenden Künste und Motor der Beschlagnahmungsaktion in deutschen Museen und der nachfolgenden Ausstellung „Entartete Kunst“ 1937 eine zentrale Stellung innehatte. In diesem Jahr stellte er auch erstmals eigene Bilder aus.

Obwohl er seinem Triptychon „Die vier Elemente“ mit den ihm zur Verfügung stehenden Propagandamitteln zu ikonischem Status verhalf, erzielte er, wie Fuhrmeister herausfand, nur moderate Preise für seine Bilder, und als die Modezeitschrift „die neue linie“ 1942 einen großen Bericht über die Münchner Akademie veröffentlichte, wurde Ziegler darin erst gar nicht erwähnt.

Josephine Gabler, die den Werdegang Arno Brekers untersuchte, sah den Bruch, den die NS-Kunstpolitik für das Kunstschaffen in Deutschland bedeutete, weniger in den Motiven, die die Künstler, etwa Arno Breker, bearbeiteten. Da lässt sich viel Kontinuität von 1920 bis 1950 feststellen. Der Bruch lag ihrer Analyse nach im Selbstverständnis der Künstler und Künstlerinnen, die sich und ihr Werk in den Kontext des Reichs gestellt und ihm verpflichtet sahen.

Juden ab 1938 ausgeschlossen

Während dem Bildhauer Hermann Blumenthal, dessen Biografie bis 1933 ähnlich der von Arno Breker verläuft, danach „fataler Individualismus“ vorgeworfen wird, weist Breker 1938 der Bildhauerei dienende Funktion im Rahmen der Architektur zu. Mit den Nazis kommt es entsprechend zu einem starken Anstieg der Auftragskunst vonseiten des Staates, der Partei, aber auch Wirtschafsverbänden und parteinahen Organisationen.

Organisiert und kontrolliert wurde der NS-Kunstbetrieb durch die schon erwähnte Reichskammer der bildenden Künste, deren Arbeit Nina Kubowitsch von der Arbeitsstelle für Provenienzforschung in Berlin, vorstellte. Die Mitgliedschaft war vorgeschrieben. Über einen Fragebogen sollte die fachliche und politische Eignung von Antragstellern festgestellt werden, wobei ein Ariernachweis erst ab 1937 eingefordert wurde.

1938 waren Juden dann laut Erlass grundsätzlich auszuschließen. Herausragende Maßnahme der Kammer war die von ihr organisierte Aktion „Entartete Kunst“, die das ideologische Moment der Mobilisierung und des Einverständnisses der Massen in Anschlag brachte. Aber selbst wenn die Nazis die Aversion des breiten Publikums gegen die zeitgenössische avantgardistische Kunst politisch besonders infam und mörderisch instrumentalisierten: Angefangen bei Wilhelm II. Verurteilung der sogenannten Rinnsteinkunst, ist bis heute Instrument nicht nur populistischer, sondern auch konservativer Politik, aus dieser Aversion Profit zu schlagen.

Man denke nur an die Schmähungen beim Streit um Hans Haackes „Der Bevölkerung“ gewidmetes Beet im heutigen Berliner Reichstag.

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