Bildungs-Alternative: Freie Schule versucht’s noch mal

Nach ihrem Scheitern vorm Bundesverwaltungsgericht probieren es die InitiatorInnen einer privaten Reformschule für Bremen noch einmal ganz von vorne

Konzentrierte Gruppenarbeit - so macht Schule Spaß. Bild: dpa

Einen neuen Anlauf wollen die InitiatorInnen der freien Schule Bremen nehmen. „Wir werden einen neuen Antrag stellen und Gespräche mit der Bildungssenatorin und den Parteien suchen“, sagte am Freitag Sven Golchert der taz. „Wir sind guter Hoffnung, dieses Mal die Zulassung zu bekommen.“

Zuletzt waren er und seine MitstreiterInnen vor einem halben Jahr in der letzten Instanz, dem Bundesverwaltungsgericht, gescheitert. Dieses hatte entschieden, dass das Oberverwaltungsgericht (OVG) Bremen verfügen durfte, dass sein letztes Urteil nicht mehr angreifbar sein würde. Ein Rückblick: Vor einem Jahr hatte das OVG die Klage gegen die Nichtzulassung der freien Schule durch die Bildungsbehörde abgelehnt und die Revision nicht zugelassen. Begründet hatte es dies zum einen damit, dass kein „besonderes pädagogisches Interesse“ vorliege. Die Bremer Grundschulen würden bereits so arbeiten, wie es die InitiatorInnen der freien Schule vorhätten, fanden die OVG-RichterInnen. Zum anderen sei es nicht zulässig, eine sechsjährige Grundschule einzuführen, da diese in Bremen nur vier Jahre dauert. Wegen dieses Arguments hatten sich die BundesrichterInnen nicht mit den pädagogischen Inhalten beschäftigt.

„Wir wissen jetzt, woraus uns ein Strick gedreht werden kann“, sagt Golchert. Um die Argumente der Bildungssenatorin auszuhebeln, würden sie einen Antrag auf eine vierjährige Grundschule stellen sowie auf eine Oberschule. Und noch einmal ein stärkeres Gewicht auf die Beziehungen zwischen Eltern, Kindern und LehrerInnen legen.

„Es ist anerkannt, dass Beziehungen entscheidend für den Lernerfolg sind“, so Golchert, der als Physiker an der Universität Bremen arbeitet. An den Regelschulen steht nach seiner Auffassung die organisatorische Struktur einer solchen Lernkultur, in der Lehrende und Lernende gleichwertig sind, entgegen.

Nicht profitieren vom bisherigen Scheitern der freien Schule in Bremen konnte die freie Schule Moorende bei Worpswede. Diese wurde Ende Juni nach nur drei Jahren wieder geschlossen. Der Grund: Zu wenig Anmeldungen. „Wahrscheinlich war es der falsche Standort“, glaubt Bettina Nick, die Vorsitzende des aufgelösten Schulvereins. „Es gab einfach zu wenig Leute in der Umgebung, die eine Alternative gesucht haben.“ Dabei war das Einzugsgebiet groß: Auch aus Ottersberg, Bremen und sogar Verden kamen Kinder. Aber eben nicht genug. Die Schule startete mit zwölf SchülerInnen und hatte zuletzt noch elf.

Für Bettina Nick hat sich ihr Engagement, für dass sie jetzt wie alle Eltern eine Bürgschaft von 6.000 Euro zahlen muss, dennoch gelohnt. „Die zwei Jahre haben unserer Tochter so gut getan.“ Das heute zwölf Jahre alte Mädchen hatte zunächst die örtliche Grundschule besucht. Das ging gut, bis in der dritten Klasse Noten eingeführt wurden. „Als die erste fünf in Mathe kam, hat sie gesagt ’Ich bin so schlecht‘“, erzählt Nick. „Wenn sie rabiater wäre, wäre sie bestimmt durchgekommen, viele schaffen das ja.“ Aber ihre Tochter sei immer stiller geworden, bekam Versagensängste und war ständig krank. Das habe sich in der freien Schule geändert. „Dort hat sie ein Selbstbewusstsein bekommen, das ihr jetzt noch hilft.“

Jetzt geht sie in die sechste Klasse einer Regelschule, ohne ein Jahr zu wiederholen. „Sie kommt gut mit“, sagt die Mutter und ist selbst überrascht. „Die haben an der freien Schule längst nicht die Menge an Stoff durchgenommen wie an anderen Schulen. Das hat uns Eltern nervös gemacht.“ Doch weder sie noch die drei anderen Mädchen aus Moorende hätten Probleme beim Übergang gehabt.

Sorgen, dass ihnen ähnliches passieren könnte wie den Moorendern, hat der Bremer Sven Golchert nicht. „Wir fragen uns eher, wie wir den Ansturm bewältigen, wenn wir tatsächlich beginnen können“, sagt er. In einem Ballungsraum wie Bremen sei die Nachfrage groß genug.

Sein eigenes Kind wird wahrscheinlich nicht mehr von Golcherts Engagement profitieren. 2007 wurde der Antrag erstmals abgelehnt. Seine Tochter ist heute acht und geht auf eine staatliche Schule. „Wenn es mir nur um mein Kind gegangen wäre, hätte ich nicht diese Kraft aufbringen können“, sagt Golchert. „Ich will Schule verändern und Bildungschancen verbessern.“ Dass die Bremer SPD Neugründungen von freien Privatschulen ablehnt, weil diese soziale Spaltung verstärken sollen, ärgert ihn. „Es ist das deutsche Schulsystem, das wie kaum ein anderes Akademikerkinder bevorteilt und sozialen Aufstieg verhindert.“

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