Bildungs-Länder-Vergleich: Weiterhin ganz am Ende

Bremens SchülerInnen liegen statistisch rund ein Schuljahr zurück. Im Länder-Ranking landet Bremen ganz hinten bei Mathe und den Naturwissenschaften.

Im Vergleich ist Bremen auch in Chemie Schlusslicht und die Schüler aus Bayern sind vorn mit dabei. Bild: dpa

Seit dem Jahr 2000 hängt der „Pisa-Schock“ über der bremischen Bildungspolitik. Gute Vorsätze, dass man sich anstrengen wolle, gab es zuhauf. Anscheinend hat alles nichts gebracht: Auch bei den gestern veröffentlichten Vergleichsdaten zu Tests von SchülerInnen am Ende der Sekundarstufe I in Mathematik und Naturwissenschaften liegt Bremen hinten. Sie wolle nun mit den Lehrern „an einem Strang ziehen“, um die Lage zu verbessern, versicherte Bildungssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD).

Aus der Platzierung in dem Ranking zu schließen, dass sich nichts bewegt habe, wäre falsch, sagen indes die Bildungsexperten der Behörde. Insgesamt hat sich das deutsche Niveau nach vorn geschoben, alle haben sich angestrengt – um den letzten Platz zu verlassen, hätte Bremen mehr als die anderen tun müssen. Wobei ausgerechnet in Physik die Bremer SchülerInnen mit Hamburg auf dem vorletzten Platz landeten – das Flächenland Nordrhein-Westfalen steht noch schlechter da.

Die Pisa-verwöhnten Bayern haben diesmal in Physik „nur“ den sechsten Platz erreicht, Baden-Württemberg den neunten von 16 Plätzen. Vorn liegen da die fünf ostdeutschen Länder – allen voran Sachsen auf Platz eins. Die Naturwissenschaften wurden in der DDR schon sehr gefördert und gefordert, sagen die Bildungsexperten, diese Tradition wirke fort. Und eine andere Tabelle der vom Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) vorgelegten Auswertung wirft ein Licht auf die Hintergründe: Betrachtet man nur die SchülerInnen ohne Migrationshintergrund, dann liegen die bremischen Ergebnisse zum Beispiel für Mathematik deutlich vor denen von Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt oder Brandenburg, auch vor Hessen oder NRW. Nur Sachsen und Bayern liegen da ganz deutlich vor Bremen. Vor allem die Zuwandererkinder, bei denen für beide Eltern ein Migrationshintergrund angegeben ist, weichen vom Mittelwert deutlich nach unten ab. Aber Sachsen hat kaum welche, Bayern prozentual nur halb so viele wie Bremen. Bei den Schülern mit Migrationshintergrund gibt es zudem, so die IQB-Statistiker, einen deutlichen Unterschied zwischen den – leistungsstarken – Jugendlichen aus der Ex-Sowjetunion und Polen und vielen leistungsschwachen aus türkischen Familien.

Das tröstet nicht über das Bremer Desaster hinweg. 85 Prozent der Bremer SchülerInnen, die einen Hauptschulabschluss anstreben, erreichen dafür nicht das „mittlere Niveau“. Von den SchülerInnen, die nicht zum Gymnasium gehen und den „mittleren Schulabschluss“ (MSA) anstreben, verfehlen 47,8 Prozent den Mindeststandard für den MSA. Von den Gymnasial-Schülern verfehlen hingegen nur 5,4 Prozent den „mittleren MSA-Standard“, 6,8 Prozent erreichen gleichzeitig „herausragende Leistungen“.

Die Bildungsforscher erklären die schlechten Bremer Ergebnisse damit, dass sich generell in Großstädten die „Risiko-Faktoren“ konzentrieren: Bildungsferne der Eltern, Erwerbslosigkeit, Sprachprobleme. Die Hamburger Ergebnisse liegen in allen Fächern nahe bei den Bremer Ergebnissen. Dennoch will sich Bremens Bildungssenatorin nicht mit dem letzten Platz abfinden. Die Sprach-Förderung soll verstärkt werden, erklärte sie, und die Schulaufsicht soll sich mehr als bisher um die Qualität des Unterrichts kümmern. Mehr Ganztagsschulen wären schön – Quante-Brandt legt sich in dieser Frage aber nicht mit der Koalitionsraison an, die dieses Thema erst einmal vertagt hat. Dafür hofft die Bildungssenatorin auf die neuen Oberschulen, die diesmal noch nicht bei dem Vergleich dabei waren.

Die Bildungsforscher haben auch auf die geringe Fachlehrerquote in Bremen hingewiesen – 36 Prozent etwa der Mathe-Lehrer haben Mathematik nicht studiert. Die Schulleiterin an der Neuen Oberschule Gröpelingen, Sabine Jacobsen, betonte dagegen die Bedeutung der „pädagogischen Qualifikation“ und der Fähigkeit, die Schüler zu motivieren. Eberhard Dobers, Schulleiter am Schulzentrum Rübekamp, berichtete, nach seiner Erfahrung könne man die leistungsstarken SchülerInnen, die zum Rübekamp in die Oberstufe kommen, nicht eindeutig einer Schulform zuordnen. Wichtig für die Motivation seien Kooperationen mit der Praxis, und: „Es muss im Unterricht einen Ruck geben.“

Die SchülerInnen in Sachsen, da waren sich die Bildungsexperten einig, lernen disziplinierter, sie haben mehr Respekt vor Autorität als die in Bremen und auch mehr „Evaluationskultur“, das heißt: Sie strengen sich bei Tests mehr an.

In den kommenden Wochen können die Schulen, die an dem Test teilgenommen haben, sich die Ergebnisse für ihre eigene Schule übrigens von dem Bildungsforschern streng vertraulich zusenden lassen – die Bildungssenatorin kennt die Einzelergebnisse nicht.

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