Bildungsenator will Hauptschule abschaffen: Zwei Schultypen sind einer zu viel

Bildungssenator Zöllner (SPD) will Haupt- und Realschulen ab 2010 zusammenlegen. Gymnasien sollen bleiben. Die Opposition freut das. Doch die Linke pocht auf Einführung der Gemeinschaftsschule für alle.

Jede Menge Schüler für jede Menge Schulen Bild: REUTERS

Es sollte der große Wurf werden, der Jürgen Zöllner (SPD) wieder nach vorn bringt. Um die Chancengleichheit der Schüler zu erhöhen, will der Bildungssenator alle Berliner Haupt-, Real- und Gesamtschulen zusammenlegen. Ab dem Jahr 2010 soll es im Wesentlichen noch zwei Schultypen geben - neben der neuen "Regionalschule" bleibt nur das alte Gymnasium erhalten. Genau das aber erbost den Koalitionspartner.

In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD und Linkspartei vor zwei Jahren das "gemeinsame Lernen über die Grundschulzeit hinaus" als Ziel festgeschrieben. Darin liege der "Schlüssel zu mehr Chancengleichheit". Derzeit werden die Kinder nach spätestens sechs Jahren auf die verschiedenen Schultypen verteilt. Die Linke hatte daher vehement für die Gemeinschaftsschule bis zur 10. Klasse plädiert. Diese war einer ihrer drei wesentlichen Punkte für die Fortführung der Koalition. Die SPD hatte die Schaffung der Schule für alle akzeptiert - als Modellversuch.

Mit Beginn des neuen Schuljahres sind gerade die ersten elf Gemeinschaftsschulen gestartet. Geht es nach Zöllner, wird es beim Modellversuch bleiben. In seiner am Mittwoch vorgestellten Grafik zur künftigen Struktur tauchen sie zwar als "grundständige Regionalschulen", die ab der ersten Klasse besucht werden, weiter auf. Allerdings erkennbar als Ausnahme.

Das freut nur die Politiker der Opposition, die sich seit langem für den Erhalt der Gymnasien einsetzen. Der bildungspolitische Sprecher der Grünen, Özcan Mutlu, feiert Zöllners Vorschlag als "die richtige Weichenstellung". Und Mieke Senftleben (FDP) fordert den Bildungssenator auf, "sich gegen die Einheitsschulideologen der Linken durchsetzen".

Die Linke jedoch tobt. Zöllners Vision konterkariere die mit dem erfolgreichen Start der Gemeinschaftsschulen verbundenen Erwartungen, schimpft Steffen Zillich, bildungspolitischer Sprecher der Linksfraktion. Das Papier schreibe die Existenz von "Restschulen" dauerhaft fest. Das angestrebte Ende der sozialen Selektion sei so nicht zu erreichen. "Zöllner fällt selbst hinter die Beschlusslage seiner eigenen Partei zurück", sagt Zillich.

So überrascht es kaum, dass selbst aus der SPD vorsichtig Kritik laut wird. Die Abschaffung der Hauptschule verbessere zwar die Bildungschancen für Kinder aus sozial schwachen Haushalten oder mit Migrationshintergrund, lobt Ülker Radziwill (SPD). Doch die Fraktionssprecherin für Soziales und Vorsitzende der AG Migration setzt gleich nach: "Ich verstehe das perspektivisch aber eher als Zwischenlösung. Das gemeinsame längere Lernen, also die Gemeinschaftsschule, muss unser Ziel sein." Davon aber sei Zöllners Vision weit entfernt, kritisiert GEW-Sprecher Peter Sinram. Vielmehr handele es sich um "eine Beerdigung erster Klasse für die Gemeinschaftsschule", die den Zulauf auf die Gymnasien verstärke.

Für die Bewältigung dieses erwartbaren Ansturms fehlt dem Senator noch eine klare Vision. Über Aufnahmeprüfungen und die Wiedereinführung des Probehalbjahrs sei nachzudenken, sagt Zöllner. Auch auf die Frage besorgter Eltern, was aus den Förderzentren - den einstigen Sonderschulen - werde, antwortet der Bildungssenator: Über solche Einzelfragen habe er sich noch keine Gedanken gemacht.

So führte Zöllners Vision bei der Senatssitzung am Dienstag zum Eklat. Die im Anschluss geplante öffentliche Vorstellung seines Papiers wurde kurzfristig um einen Tag verschoben - nach heftigem Protest des Koalitionspartners. Der wollte jeden Eindruck vermeiden, der Plan sei in der Sitzung mit der Linken abgestimmt worden.

GEREON ASMUTH, ALKE WIERTH

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