Bio-Kontrolleur über „Spiegel“-Bericht: „Das ist Quatsch“

Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ schreibt über Missstände in Chinas Biobranche. Doch die Hauptquelle, Ökokontrolleur Benzing, kritisiert den Bericht scharf.

Teepflückerinnen in roter Einheitskleidung in einer grünen Teeplantage

Ist das Bio? Tee-Plantage in China Foto: reuters

taz: Herr Benzing, der Spiegel schreibt, dass der chinesische Öko-Landbau geprägt sei von Betrug und nachlässigen Kontrollen. Das lege ein internes Dossier Ihrer Kontrollstelle Ceres nahe. Stimmt das?

Albrecht Benzing: Einige Aussagen in dem Artikel schießen über das Ziel hinaus. Die Betrugsquote ist deutlich höher als in Europa. Aber ein mangelndes Unrechtbewusstsein „der Bauern“, ein Versagen „der Prüfer“ – das vermittelt den falschen Eindruck, dass das auf alle zutrifft.

Aber bei keinem anderen Herkunftsland werden so viele Pestizide in Bio-Importen gefunden.

Ja, aber wenn man diese Fälle in Beziehung setzt zu den jeweiligen Importmengen, dann liegt China nur noch an elfter Stelle.

Zwischen 2007 und 2017 haben Sie laut Spiegel 51 Kontrollen Ihrer chinesischen Inspektoren begleiten lassen, und bei 41 Prozent dieser Kontrollen mehr als drei „Verstöße gegen die Prüfrichtlinien“ festgestellt. Ist das kein Beleg?

Das suggeriert, dass 41 Prozent der Betriebe mehrfach gegen Biorecht verstoßen hätten. Wahr ist: Wir haben bei 41 Prozent dieser Kontrollen mehr als drei schwerwiegende Fehler der Kontrolleure festgestellt. Dabei geht es um Dinge wie ungenügende Verifizierung von Informationen, oder „Vergessen“ wichtiger Teile eines Betriebs. Wir hatten den Redakteur darauf hingewiesen, aber offensichtlich wollte er sich seine schöne Geschichte nicht durch komplizierte Fakten kaputt machen lassen.

Dem Artikel zufolge enthielt Ihr Dossier Fotos, zum Beispiel von leeren Glyphosatflaschen auf Biofeldern. Der Spiegel fragt: „Warum hat Ceres sich diese Katastrophe so lange mit angesehen?“

Alle beschriebenen Fotos stammen aus dem Jahr 2016. Das war dem Spiegel bekannt. Dennoch vermittelt er den Eindruck, wir hätten über 10 Jahre immer wieder Felder voller Glyphosatflaschen gefunden und nichts unternommen. Das ist Quatsch. Wenn wir solche Dinge gefunden haben, dann wurden die Betriebe sofort gesperrt. Der Inspektor, der einem Betriebsleiter half, ein Pestizidlager zu verbergen, wurde umgehend entlassen.

Der 61-Jährige ist einer von drei Geschäftsführern der bayerischen Kontrollstelle Ceres, die in rund 60 Staaten Biobetriebe prüft.

Laut Spiegel schöpften Sie aber schon vor gut zehn Jahren Verdacht, dass die eigenen Leute vor Ort womöglich „nicht so genau“ hinsehen.

Das Ausmaß der Probleme erkannten wir erst, als wir 2016 von Kontrollbegleitungen umschwenkten zu systematischen unangekündigten Nachkontrollen. Hier fanden wir dann in einigen extremen Fällen, dass die uns vorliegenden Inspektionsberichte wenig zu tun hatten mit der Realität. Als unser damaliger Partner vor Ort dann nicht bereit war, die betreffenden Kontrolleure zu entlassen, haben wir uns getrennt. Seit Anfang 2018 arbeiten wir in China in einer neuen Partnerschaft mit neuen Leuten mit einer anderen Mentalität. Der Spiegel suggeriert, dass es sich um denselben Partner handelt, mit dem wir all die beschriebenen Probleme hatten.

Das Magazin schreibt, „seit der Bio­auf­schwung Chi­na er­reicht hat, le­ben Kon­trol­leu­re, die zu ge­nau hin­se­hen, ge­fähr­lich.“ Können Sie das bestätigen?

Von Bedrohung war weder in unserem Dossier noch im Austausch mit dem Spiegel die Rede. Ich hatte vielmehr den Spiegel von einem Fall in Südamerika berichtet, wo ein Inspektor einen Betrugsfall festgestellt hat und jetzt um sein Leben fürchten muss.

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