Biozüchter Schweisfurth über Antibiotika: „Wir haben den Tierarzt gewechselt“

Karl Schweisfurth, Chef der Herrmannsdorfer Landwerkstätten, sagt, er habe keine Vorschrift verletzt. Kranke Tiere bräuchten manchmal ein Antibiotikum.

Frau in weißem Kittel schüttet einen Eimer über einem Gatter mit mehreren schwarz-rosa gescheckten Ferkeln aus.

„Ich kann mich nicht erinnern, dass mein Vater jemals von einer paradiesischen Oase gesprochen hat.“ – Hausschweinfütterung in den Hermannsdorfer Landwerkstätten Foto: imago/Michael Westermann

taz: Herr Schweisfurth, alle Welt schaut jetzt genau hin, wie die Herrmannsdorfer Landwerkstätten Krisenmanagement betreiben.

Karl Schweisfurth: Wir spüren die Verantwortung. Deshalb bleiben wir bei unserer Linie, mit großer Transparenz alles zu offenbaren, was wir tun.

Bei Ihrem Vater hatte man oft den Eindruck, dass die übliche Tierhaltung die Hölle ist und der eigene Betrieb eine paradiesische Oase.

Ich kann mich nicht erinnern, dass mein Vater jemals von einer paradiesischen Oase gesprochen hat. Richtig ist: In der Ökolandwirtschaft hat er Pionierarbeit geleistet. Ich stehe hinter dem Anliegen meines Vaters, sich für gute Tierhaltung einzusetzen. Ich bin allerdings Praktiker, ich habe Landwirtschaft gelernt und studiert. Meine Kommunikation ist weniger theoretisch-philosophisch, dafür praxisnäher.

Sie hatten 30 Prozent Ferkelverluste im ersten Halbjahr 2015. Es gibt Betriebe, bei denen nur in Ausnahmefällen mal zwei, drei Ferkel sterben.

Zur Ferkelsterblichkeit gibt es keine exakte Statistik, aber Ökobetriebe, in denen dauerhaft nur zwei Ferkel sterben, halte ich für kaum vorstellbar. Leider sind Verluste von 15 bis 20 Prozent üblich. Wir waren 2014 gut mit einer Verlustrate von 16 Prozent. 2015 war ein Ausnahmejahr mit sehr großen Würfen und vielen schwachen Ferkeln. Außerdem hatten wir eine Infektion im Stall, konnten die Ursachen nicht gleich herausfinden und mussten hohe Verluste hinnehmen. Jetzt sind wir wieder auf gutem Weg.

Jahrgang 1959, hat Landwirtschaft studiert. 1996 übernahm er von seinem Vater die Geschäftsführung des Biobetriebs Herrmannsdorfer Landwerkstätten Glonn. Dort werden unter anderem Bioschweine in Freilandhaltung gezüchtet.

Sie haben jetzt die umstrittenen Kastenstände, das sind Boxen zur Fixierung der Muttersauen, abgeschafft. Was wollen Sie jetzt noch tun?

Ich war vergangenes Jahr viel unterwegs und habe Betriebe mit freier Abferkelung (ohne Kastenstände; die Red.) besichtigt. Deshalb arbeiten wir jetzt ohne. Das hätte man früher machen können, aber hinterher ist man immer schlauer. Als wir 2000 den Stall gebaut haben, waren Kastenstände das modernste System. Wir versuchen ständig, die Lebensbedingungen unserer Tiere zu verbessern, unsere Haltung geht weit über die Biovorschriften hinaus. Wir haben ein eigenes Sojanetzwerk mit bayerischen Bauern, wir haben die Schweineweidehaltung frühzeitig eingeführt und vieles mehr.

Die Vorwürfe der „Soko“ haben viel in Bewegung gebracht?

Von den „Soko“-Vorwürfen habe ich erst letzte Woche, drei Stunden vor der „Fakt“-Sendung, erfahren. Ich wusste nicht, dass verdeckte Überwachungskameras im Stall waren. Die „Soko“ tut so, als hätte sie bei uns Skandalöses enthüllt, aber wir halten unsere Schweine nach Biovorschriften. Unsere Ställe stehen offen, es gibt keine Geheimnisse. Wir waren auch ohne „Soko“ an vielen Veränderungen dran und haben nun auch den Tierarzt gewechselt, um weniger Antibiotika einsetzen zu müssen.

Hätten Sie sich nicht gegen die Antibiotikaverordnungen Ihres Tierarztes wehren können?

Nein, das sind ärztliche Verordnungen in der Lebensmittelproduktion. Da konnten wir uns nicht verweigern. Wenn ein Tier stirbt, machen Sie sich schuldig. Der bayerische Tiergesundheitsdienst …

… der in Bayern ein Monopol hat …

… trifft die Entscheidungen. Da gab es keine Diskussionen, das habe ich selbst erlebt. Der Tierarzt sagt, ich bin der Fachmann, ich muss mich drauf verlassen, dass meine Verordnung umgesetzt wird. Der Neue wird mit sanfteren Methoden arbeiten.

Der Verein Soko Tierschutz hat eine Medikamentenliste vorliegen, wonach Tiere Ihres Betriebs auch Antibiotika der Gruppe Fluorchinolone bekamen, unter anderem das Präparat „Baytril“. Die Richtlinien von Biokreis, wo Sie Mitglied sind, verbieten Fluorchinolone.

Baytril wird bei uns nicht mehr eingesetzt. Es lag noch ein Präparat im Kühlschrank, aber es gibt einen Rücknahmebeleg des Tiergesundheitsdiensts. Die Richtlinien von Biokreis gibt es noch nicht so lange. Unsere Veterinäre haben sich in Einzelfällen über die Biokreis-Richtlinien hinweggesetzt, weil sie eine andere Einschätzung hatten. Unser alter Tierarzt hat Baytril als seiner Ansicht nach bestes Medikament gegen eine Erkrankung eingesetzt. Diese Antibiotika kommen jetzt nicht mehr zum Einsatz, unser neuer Tierarzt ist entsprechend instruiert. Aber gegen gesetzliche Bestimmungen wurde nie verstoßen.

Wann und wie oft wurden Fluorchinolone eingesetzt?

Ab Juni 2014 bis zum Jahresende wurden 21 Tiere behandelt, 2015 waren es 33 Tiere.

Bei Bio wird oft eine heile Welt vorgegaukelt. Warum sagen Biobetriebe und Verbände nicht klipp und klar, dass sie Probleme mit der Tiergesundheit haben?

Man kann immer noch besser kommunizieren. Wir haben jedenfalls nichts verheimlicht. Und die meisten Leute wissen, dass kranke Tiere, genau wie kranke Menschen, manchmal ein Antibiotikum brauchen. Der entscheidende Unterschied: Die Biobranche verabreicht diese Arzneimittel nie großflächig und vorbeugend und auch nicht zum besseren Wachstum.

Herr Schweisfurth, schmerzt es Sie, dass einer Ihrer Mitarbeiter Sie an die „Soko“ verraten hat?

Wenn das so war, würde es schmerzen. Aber noch ist unklar, wie die Kameras in den Stall kamen. Die Auswahl der Bilder durch die „Soko“ war jedenfalls sehr manipulativ, die gezeigten Muttersauen sind nur wenige Tage im Kastenstand.

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