Birmesischer Publizist über Verfassungsentwurf: "In Birma ist viel Geduld gefragt"

Birmas Junta hat eine Verfassung vorgelegt, die mit demokratischen Idealen wenig zu tun hat. Trotzdem sollte die Opposition ihren Widerstand dagegen aufgeben, rät Birmas Publizist Zarni.

Auch mit der neuen Verfassung wird das Militär nicht aus Birmas Alltag verschwinden. Bild: epa

taz: Herr Zarni, Birmas Militärjunta hat für Mai ein Verfassungsreferendum und für 2010 Wahlen angekündigt. Was bedeutet das?

Zarni: Die Generäle haben zwei Optionen: Entweder sie geben dem Druck des Westens nach und führen mit der Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi einen echten Dialog - oder sie bewegen sich nur ein bisschen und kommen damit China, Indien und den südostasiatischen Staaten entgegen. Die Junta hat die zweite Möglichkeit gewählt. Sie deutet Reformbereitschaft an, ohne mit San Suu Kyi reden zu müssen. Sie zeigt damit, dass sie nicht vor dem Westen kapituliert und das Heft weiter in der Hand hält.

Warum hat die Junta dies gerade jetzt angekündigt? Den größten diplomatischen Druck nach den Protesten im September 2007 hatte sie doch schon überstanden.

Ja, aber die wirtschaftlich-soziale Not und der Druck durch China sind weiterhin groß. Im November besuchte Vizepremierministerin Wu Yi den Juntachef. Statt Pekings Brief nur zu übergeben, bestand sie darauf, dass er Than Shwe vorgelesen wird. Der Tenor: Die Junta muss besser arbeiten. Das war fast ein Ultimatum und für Juntachef Than Shwe völlig unerwartet.

Laut der neuen Verfassung sind 25 Prozent der Parlamentssitze für Militärs reserviert. Die Junta hat ein Vetorecht, und Aung San Suu Kyi wird von allen Ämtern ausgeschlossen. Glauben Sie, dass dieses Verfassungsreferendum eine Mehrheit bekommt?

Die meisten Oppositionsgruppen rufen zur Ablehnung auf. Das ist ein Fehler, denn es gibt bisher keinen politischen Prozess, an dem sich Zivilisten beteiligen können. Die Junta riskiert etwas mit diesem Prozess. Denn sie kann einen Verfassungskonvent von tausend Menschen kontrollieren, aber nicht dreißig Millionen Wähler.

Es gibt aber viele autoritäre Regime, die sich die gewünschten Wahlergebnisse organisieren.

Dies wird das Regime auch versuchen. Es will aber auch die eigene Legitimität stärken - und das funktioniert nicht bei zu stark manipulierten Wahlen. Wenn dieser Prozess also erst mal beginnt, kann er sich auch gegen das Regime selbst richten. Chiles Diktator Pinochet hat es nichts genutzt, sich lebenslänglich zum Senator zu machen. Auch Venezuelas Präsident Hugo Chávez scheiterte kürzlich mit einer Verfassungsänderung. Wenn die Opposition diesen Prozess ablehnt, könnte dies dazu führen, dass der Stillstand noch Jahre anhält.

Sie meinen also, dass Birma dieser miserablen Verfassung zustimmen sollte?

Vergesst erst mal den Inhalt der Verfassung. Dies wäre die erste politische Beteiligung der Zivilbevölkerung in einem Land, das seit 1962 vom Militär kontrolliert wird. Natürlich ist diese Verfassung undemokratisch - aber wichtiger ist, dass die Junta mit diesem Referendum erstmals anerkennt, dass die Öffentlichkeit mitentscheidet. Langfristig gesehen ist die Verfassung nur ein Stück Papier, das geändert werden kann. Abgesehen davon ist es doch besser, dass das Militär nur 25 Prozent der Sitze innehat als wie bisher 100 Prozent. Klar ist, dass internationale Wahlbeobachter über Manipulationen berichten sollten.

Wie soll sich Aung San Suu Kyis Partei NLD verhalten? Soll sie an dem Referendum teilnehmen und dafür Bedingungen stellen - etwa die Freilassung von Aung San Suu Kyi?

Die NLD hat die Wahlen 1990 gewonnen, wurde aber vom Militär an der Machtübernahme gehindert. Heute fordert niemand mehr, dass die Junta die damaligen Ergebnisse anerkennt. Die Junta weigert sich bis heute, mit der NLD zusammenzuarbeiten. Eine Demokratisierung muss aber davon entkoppelt werden, ob Junta und Suu Kyi zusammenarbeiten können. Denn es geht um die Einbeziehung der Bevölkerung. Die Junta hat die NLD nicht verboten. Sie geht davon aus, dass die vom Militär organisierten Parteien die NLD bei Wahlen schlagen werden. Kurzum: Die NLD sollte sich an den Wahlen beteiligen und nicht dazu aufrufen, die Verfassung abzulehnen. Statt auf Suu Kyis Freilassung zu bestehen, sollte die NLD lieber fordern, landesweit wieder ihre Büros aufmachen zu dürfen.

Also wäre Suu Kyi das Opfer, damit sich etwas bewegt?

Es wäre hilfreich, wenn Suu Kyi selbst sagen würde, dass sie kein Führungsamt anstrebt. Es gibt viele konstruktive Rollen, die sie bei der Demokratisierung spielen könnte.

Wie soll sich der Westen zu dem Referendum verhalten?

Westliche Länder haben die Junta zu Recht kritisiert, weil die NLD marginalisiert und Aung San Su Kyi ausgeschlossen wurde. Doch der Westen sollte den Beginn eines politischen Prozesses nicht gefährden. Es geht jetzt erst mal um Verbesserung der Lebensbedingungen. Demokratie ist ein langfristiges Projekt.

INTERVIEW: SVEN HANSEN

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