Blamage für Berliner Ermittlungsbehörden: Terrorverdächtige aus U-Haft entlassen

Weil das Kammergericht keinen "dringenden Tatverdacht" sieht, kommen zwei Islamisten wieder auf freien Fuß. Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiter.

Treffpunkt der Verdächtigen: die Al-Rahman Moschee in Berlin. Bild: dapd

BERLIN taz | Drei Tage vor dem zehnten Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 herrschte große Aufregung in der Hauptstadt. Ein Großaufgebot der Polizei nahm zwei Berliner unter Terrorverdacht fest.

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Sie hätten eine "schwere staatsgefährdende Gewalttat" vorbereitet, sprich: einen Anschlag, und sollen dafür versucht haben, eine große Menge Kühlpads und Chemikalien zu bestellen, mit denen man Bomben basteln kann.

Doch eineinhalb Monate später hat das Berliner Kammergericht nun den Haftbefehl gegen den Deutschlibanesen Samir M. und den Palästinenser Hani N. aufgehoben. Der Grund: Es gebe keinen dringenden Tatverdacht gegen die beiden, der Voraussetzung für eine Untersuchungshaft ist.

"Die Indizien haben nicht ausgereicht", sagte Gerichtssprecher Tobias Kaehne der taz. Es habe keine "klar fassbaren Anhaltspunkte" gegeben, dass ein Terrorakt geplant gewesen sei. Der Besitz von handelsüblichen Chemikalien und eine radikalislamische Gesinnung reichten für einen Haftbefehl nicht aus. "Die Entscheidung zeigt, dass wir noch in einem Rechtsstaat leben", kommentierte Alexander Funck, Anwalt eines der Verdächtigen, die Aufhebung des Haftbefehls.

Die Berliner Staatsanwaltschaft hatte gegen die beiden Berliner nach dem erst 2009 geschaffenen Paragrafen 89a Strafgesetzbuch ermittelt. Demnach kann bereits eine Vorbereitung einer "schweren staatsgefährdenden Gewalttat" bestraft werden, also eine Ausbildung im Terrorlager oder die Beschaffung von Materialien für einen Bombenanschlag.

Zweifel schon bei der Festnahme

Doch im Falle von Samir M. und Hani N. gab es schon direkt nach der Festnahme der beiden Männer Anfang September Zweifel, ob die Ermittler genug in den Händen haben. Dass die Bundesanwaltschaft damals nicht die Ermittlungen an sich riss, wurde von Beobachtern als Zeichen interpretiert, dass die Festnahmen nicht die Dimension hatten, die sie wegen des 9/11-Jahrestags und des bevorstehenden Papstbesuchs in den Medien damals bekamen.

Beide Männer werden der sogenannten Salafisten-Szene in Berlin zugerechnet, einer islamistischen Strömung, die ein Einstieg in die Militanz sein kann. Einer der beiden, Samir M., war im Herbst 2009 schon einmal am Flughafen aufgehalten worden, weil die Sicherheitsbehörden überzeugt davon waren, er wolle sich wie mehrere junge Berliner in den Wochen davor in Afghanistan einer Terrorgruppe anschließen.

Doch auch wenn Samir M. und Hani N. nun seit Mittwoch wieder auf freiem Fuß sind, kündigte die Berliner Staatsanwaltschaft an: Man ermittle weiter gegen die Männer.

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