Blockierte Nazi-Demo in Dresden: "Diese Bande gehört nicht hierher!"

Entschlossene Blockaden und eine Menschenkette verhindern den „Trauermarsch“ der Nazis am Tag der Bombardierung Dresdens und kehren den Trend der letzten Jahre um.

Dresdner Bürger gedenken der Opfer der Bombenangriffe vor 65 Jahren. Bild: dpa

DRESDEN taz | Dresden hat am Tag seines Zerstörungsgedenkens erstmals seit Jahren wieder ein positives Zeichen setzen können. Gegen den zunehmenden Missbrauch dieses Tages durch einen Nazi-„Trauerzug“ konnten die Stadt und zahlreiche angereiste Gegendemonstranten einen zweifachen Erfolg erzielen. Friedliche, aber massive Straßenblockaden um den als Versammlungsort zugewiesenen Neustädter Bahnhof verzögerten die Ankunft der Neonazis und verhinderten schließlich ihren Marsch. Zugleich bildeten mehr als 10.000 Bürger in der Innenstadt eine Menschenkette. Sie symbolisiere eine „Festung gegen Intoleranz und Dummheit“, so Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU).

Von der Polizei geduldet, hatten mehrere angemeldete Demonstrationen des Bündnisses „Dresden-nazifrei“ frühzeitig in der Dresdner Neustadt Verkehrsknotenpunkte besetzt. Bis auf etwa 300 Meter an den Bahnhof heran rückte eine Hauptblockade von mehreren tausend Menschen auf der ursprünglich zugewiesenen Marschroute. In ihr hielten unter anderem Bundes- und Landtagsabgeordnete der Linken aus Hessen, Thüringen und Sachsen eine „öffentliche Fraktionssitzung“ ab.

Auch der Zugverkehr zwischen Haupt- und Neustädter Bahnhof kam durch eine Gleisblockade zum Erliegen, die allerdings von der Polizei geräumt wurde. Nazigruppen versuchten sich daraufhin von Norden durch die Neustadt zum Versammlungsort durchzuschlagen. Dabei kam es immer wieder zu tätlichen Auseinandersetzungen mit ebenfalls vagabundierenden Antifa-Gruppen.

Es sei „nicht sein Problem“, wie die Nazis anreisen, erklärte Einsatzleiter Ludwig Gerhard Danzl von der bayerischen Polizei. Bereits um 11 Uhr am Vormittag stand seine Entscheidung fest, dass die Blockaden angesichts der Vielzahl beteiligter Gegendemonstranten nicht geräumt werden. Damit wurde auch ein Abmarsch der Nazi vom Stellplatz am Bahnhof praktisch unmöglich. Gegen 15.30 Uhr teilte ein Polizeisprecher per Lautsprecherdurchsage den etwa 5.000 wartenden Teilnehmern des „Trauerzuges“ mit, dass ihre Sicherheit entlang der geplanten Route zum Stadtteil Pieschen nicht gewährleistet sei. Es dürfe deshalb keinen Marsch, sondern nur eine stationäre Kundgebung geben.

Für Irritationen sorgte eine Stunde vor Ende der um 17 Uhr ablaufenden Demonstrationsfrist die Polizeidurchsage, der düstere Zug dürfe entlang einer schmalen Straße am Bahndamm doch marschieren. Aber auch hier wurde der Weg durch mobile Gegendemonstranten besetzt. Die Polizei ließ deshalb den marschbereiten Zug weiter warten. Der angestaute Frust der Nazis drohte sich daraufhin gegen die Polizei zu entladen. Es flogen aber nur Plastikflaschen, Schneebälle und Feuerwerkskörper.

Unverrichteter Dinge mussten die Demonstranten per S-Bahn wieder zu ihren Bussen abziehen. Man fühle sich von der Polizei „verarscht“, rief einer der Wortführer vom Lautsprecherwagen. Lob für die Polizeitaktik kam unter anderem vom Grünen-Urgestein Christian Ströbele.

Auf der Altstädter Seite sah man erstmals seit Jahren viele lächelnde Gesichter, auch wenn diese zum eigentlich traurigen Anlass des Tages nicht recht passten. Oberbürgermeisterin Helma Orosz hatte zu dieser drei Kilometer langen Menschenkette aufgerufen, die TU Dresden fungierte als Anmelder. Die Genugtuung überwog, nach Jahren der Konfrontation über die richtige Antwort auf den Nazi-Aufmarsch diesmal ein Mittel gefunden zu haben, in dem sich auch viele gutbürgerliche Dresdner wiederfinden konnten. Sie standen entlang der geplanten Strecke teilweise in Zwei- und Dreierreihen und erweiterten den Kreis um die Innenstadt noch. Viel von ihnen trugen weiße Rosen als Symbole der Trauer und des Friedenswillens.

Wie bereits bei der traditionellen Kranzniederlegung für die etwa 35.000 Opfer des Bombardements von 1945 am Heidefriedhof fand die Oberbürgermeisterin deutliche Worte gegen den Missbrauch dieses Tages, der früher ein „stiller Tag der Trauer“ war. Er erinnere aber auch daran, „wer diesen verdammten Krieg losgetreten hatte“, sagte Orosz. Mit Blick auf die andere Elbseite rief sie unter Beifall: „Diese Bande gehört nicht hierher!“

Der Menschenkette ging ein mobiles Friedensgebet mit zwei Stationen auf dem Postplatz und dem Theaterplatz voraus. Zu den Initiatoren zählten Kirchenkreise und grüne Prominenz wie Karin Göring-Eckart und Claudia Roth. Etwa 80 Blechbläser der Evangelischen Posaunenmission ließen Choräle gegen den braunen Missbrauch des Gedenktages erschallen. Der Tag wird am Abend traditionell mit Gebeten in den zentralen Kirchen, Konzerten und dem Läuten aller Glocken der Stadt zu Beginn des Angriffes um 21.45 Uhr enden.

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