Blockierte Seenotrettung vor Libyen: Weniger Flüchtlinge – und Tote

Libyen geht hart gegen Flüchtlinge und Seenotretter im Mittelmeer vor. Nun kommen weniger – doch die Verhältnisse an Land seien katastrophal, sagt ein Helfer.

Menschen in einem Schlauchboot, davor als Silhouetten HelferInnen

Seenotretter ziehen sich aus Furcht aus libyschen Gewässern zurück Foto: ap

BERLIN/PASSAU dpa | Das harte Vorgehen der libyschen Behörden gegen Flüchtlinge und private Seenotnetter im zentralen Mittelmeer wird nach Ansicht von Sea-Eye-Sprecher Hans-Peter Buschheuer dazu führen, dass weniger Menschen flüchten und ertrinken. Der Sprecher der Hilfsorganisation sagte der Passauer Neuen Presse: „Es wird jetzt erfolgreich verhindert, dass die Menschen aufs Wasser gehen und die Flucht wagen. Das bedeutet natürlich auch, dass weniger Menschen ertrinken.“ Gleichwohl sei das libysche Vorgehen ein klarer Rechtsbruch.

Am Wochenende hatten Hilfsorganisationen wie Sea Eye, Ärzte ohne Grenzen und Save the Children angekündigt, sich vorläufig aus dem Rettungsgebiet vor Libyen zurückzuziehen. Als Grund nannten sie Drohungen und die Ankündigung aus Libyen, die eigene Such- und Rettungszone auf internationale Gewässer auszuweiten.

Die libysche Küstenwache zeigt seit einiger Zeit deutlich stärker Präsenz im Mittelmeer – vermutlich auch auf Druck aus Rom und Brüssel hin. Das habe Schmuggler in dem Bürgerkriegsland im Juli davon abgeschreckt, Migranten auf Boote in Richtung Europa zu setzen, erklärte die EU-Grenzschutzagentur Frontex am Montag.

Buschheuer gibt zu bedenken, dass die Flüchtlinge nun weiterhin in libyschen Lagern bleiben müssten – „sämtliche UNO-Organisationen und auch die humanitären Organisationen dort im Einsatz berichten von katastrophalen Verhältnissen“, sagte er der Zeitung.

Trittin: „Gipfel des Zynismus“

Auch Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) zeigte sich besorgt über die Entwicklung. „Wer schützt diese Menschen dort? Wer bekämpft die gewalttätigen und verbrecherischen Milizen, die heute jeden Tag in den Flüchtlingslagern die Menschen schinden?“, fragte er im Gespräch mit dem Kölner Stadt-Anzeiger. Europa müsse bereit sein, sich solchen Fragen zu stellen. „Davon sind wir noch weit entfernt. Wir waren immer ganz froh, wenn die Amerikaner die militärischen Aufgaben übernommen haben. Wenn das schief ging, konnten wir wenigstens einen Schuldigen benennen.“

Jürgen Trittin von den Grünen sprach von einem „Gipfel des Zynismus“. „Erst haben Frankreich und Großbritannien Libyen zu einem „failed state“ bombardiert. Nun schießt die von der EU ausgebildete und zeitweilig finanzierte sogenannte libysche Küstenwache auf Seenotretter“, sagte Trittin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Mit einer Flüchtlingsabwehr durch bezahlte Söldner wird die Zahl unschuldiger Menschen weiter steigen, die im Mittelmeer jämmerlich ersaufen“, sagte er voraus.

Der FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff forderte die Bundesregierung dazu auf, sich mit europäischen Partnern aktiv für eine Stabilisierung der Lage in Libyen einzusetzen. „Teil der Lösung können zum Beispiel auch humanitäre Flüchtlingsunterkünfte sein. Dafür brauchen wir aber dringend eine diplomatische Offensive“, sagte der stellvertretende Präsident des Europaparlaments der Heilbronner Stimme.

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