Böhnhardts Vater im NSU-Prozess: Nichts hören, nichts merken

Dass sich sein Sohn zu einem gewaltbereiten Neonazi entwickelte, will Vater Böhnhardt nicht gemerkt haben. Vor Gericht berichtet er zudem von Treffen mit dem Trio.

Jürgen Böhnhardt, der Vater des mutmaßlichen Neonazi-Terroristen, auf dem Weg in den Gerichtssaal. Bild: dpa

MÜNCHEN dpa/afp | Der Vater des mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt hat den Familien der Opfer des NSU sein Mitgefühl ausgesprochen. Er wolle zum Ausdruck bringen, "dass mir das unendlich Leid tut, was da passiert ist", sagte Jürgen Böhnhardt am Donnerstag in seiner Zeugenaussage im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München.

Zugleich bedankte sich Böhnhardt bei den Angehörigen, dass diese ihn und seine Familie nicht zur Rechenschaft gezogen und etwa beschimpft hätten. "Da muss ich Ihnen eigentlich dankbar sein", sagte der 69-Jährige.

Jürgen Böhnhardt will von der rechtsextremem Karriere seine Sohnes nichts gewusst haben. "Das haben wir damals überhaupt nicht geahnt", sagte er am Donnerstag im NSU-Prozess in München. Das sei "höchstens mal unterschwellig angekommen". Auf Fotos habe man zwar gesehen, dass Uwe bei rechten Demonstrationen "mittendrin" gewesen sei, dass er Bomberjacke und Springerstiefel getragen habe. "Aber das ist zu der Zeit normal gewesen, das haben alle Leute gehabt."

Die Eltern hätten Uwe aber zur Rede gestellt; da habe dieser abgewiegelt oder keine Antwort gegeben. Man habe den "Ernst der Lage" nicht erkannt, sagte Böhnhardt - obwohl Uwe wiederholt im Visier der Justiz war. Und auch Uwes Freunde Uwe Mundlos und Beate Zschäpe, die man später ebenfalls auf Fotos von rechten Aufzügen gesehen habe, hätten er und seine Frau befragt. Man dürfe doch seine Meinung sagen, hätten sie geantwortet - und dass sie nichts ungesetzliches täten.

Jürgen Böhnhardt aus Jena schilderte zudem, wie er und seine Frau nach dem Untertauchen des Trios noch mehrfach Kontakt zu den dreien hatten, erst per Telefon, und dann habe man sich auch dreimal in Chemnitz getroffen. "Unsere Forderung war: Kommt zurück, stellt euch, es wird nicht besser." Doch die drei seien dazu nicht bereit gewesen. Das letzte Treffen war demnach 2002. Da hätten die drei gesagt: "Wir gehen jetzt fort, wir treffen uns nicht wieder." Und von damals an habe man bis vor gut zwei Jahren tatsächlich nichts mehr gehört.

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe waren 1998 abgetaucht, nachdem die Polizei in Jena Garagen durchsucht hatte, in denen die drei eine Bombenwerkstatt eingerichtet hatten. Ab September 2000 begann die Mordserie an Geschäftsleuten ausländischer Herkunft. Insgesamt rechnet die Anklage dem Trio zehn Morde und zwei Sprengstoffanschläge zu. Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos töteten sich am 4. November 2011 selbst, um der Festnahme zu entgehen. Beate Zschäpe ist die einzige Überlebende der Gruppe. Sie ist als Mittäterin an sämtlichen Attentaten des "Nationalsozialistischen Untergrunds" angeklagt.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

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■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

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■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

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