Bolivien verstaatlicht Stromfirma: Armee soll Kontrolle übernehmen

Präsident Morales verstaatlicht die spanische Stromfirma TDE. Der Ölmulti Repsol soll nichts zu befürchten haben. Verstaatlichungen am 1. Mai haben Tradition.

Staatlicher Strom: Bolivien übernimmt die Kontrolle über den größten Stromversorger des Landes. Bild: dapd

PORTO ALEGRE taz | Der bolivianische Präsident Evo Morales hat am 1. Mai ein Tochterunternehmen des spanischen Stromversorgers Red Eléctrica de España (REE) verstaatlicht. Der linke Staatschef unterzeichnete ein entsprechendes Dekret und befahl der Armee, die Kontrolle über die Zentrale der Transportadora de Electricidad (TDE) zu übernehmen, die 73 Prozent des bolivianischen Stromnetzes betreibt.

Alle TDE-Aktien werden vom Staatsbetrieb Empresa Nacional de Electricidad übernommen. Morales begründete die Verstaatlichung mit „geringen Investitionen“ der Firma seit ihrer Privatisierung 1997.

Mit der Entscheidung setzt die Regierung ihren Kurs fort, die Kontrolle über strategisch wichtige Branchen wiederzulangen. Dabei macht sich der Exgewerkschafter Morales immer wieder den Symbolgehalt des Internationalen Tags der Arbeit zunutze: 2006 ließ er zur „Nationalisierung“ der Erdgas- und Ölvorkommen Soldaten an einem Petrobras-Gasfeld aufmarschieren. Anschließend rang Bolivien den Multis in Verhandlungen deutliche höhere Steuern und Abgaben ab, mit denen Sozialprogramme finanziert wurden.

Zugleich blieb die Regierung bei einer durchaus marktkonformen Wirtschafts- und Fiskalpolitik, die sogar vom IWF gelobt wurde. Am 1. Mai 2008 folgte die Verstaatlichung der vormals italienischen Telefongesellschaft Entel und weiterer Ölfirmen, 2010 die einer BP-Tochter, letztes Jahr waren vier Stromfirmen an der Reihe. Dabei wurden die ausländischen Eigner stets entschädigt.

Präsident kann bei seiner Basis punkten

Mit solchen Maßnahmen kann der Präsident jederzeit bei seiner Basis punkten. Momentan ist das besonders wichtig – letzte Woche begann ein weiterer Protestmarsch gegen den Bau einer Urwaldstraße.

Der spanische Erdölriese Repsol, noch von der Enteignung seiner Mehrheitsanteile an der argentinischen Firma YPF vor zwei Wochen getroffen, brauche sich aber keine Sorgen zu machen, erklärte Morales Stunden nach der TDE-Verstaatlichung. Repsols Bolivien-Investitionen würden „immer respektiert“, versprach er dem Konzernchef Antonio Brufau.

Ramón Santos, der spanische Botschafter in La Paz, kritisierte die Verstaatlichung als „eine negative Botschaft, die Misstrauen schafft“, Spaniens Wirtschaftsminister Luis de Guindos forderte unter Verweis auf das „Image Boliviens bei internationalen Investoren“ ihre Rücknahme.

Der Goldman-Sachs-Analyst Alberto Ramos erwartet allerdings keine breite Verstaatlichungswelle in Lateinamerika. Die Maßnahmen in Bolivien und Argentinien seien zwar „beunruhigende Entwicklungen“, meint Ramos, doch „glücklicherweise“ beschränkten sie sich auf eine kleine Zahl von Ländern, die „irrige wirtschaftliche Experimente fortsetzen“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.