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Social MediaBoomer raus aus TikTok!

Ein nicht ernst gemeinter Vorschlag verärgerte Boomer. Dabei wurde mal wieder klar: Einige von ihnen haben weniger Medienkompetenz als manche Kinder.

Sollte es für TikTok ein Höchstalter geben? Foto: Hannes P Albert/dpa

S ie sind über 60? Dann dürfen Sie jetzt leider kein Instagram mehr verwenden. Auch TikTok ist für Sie ab jetzt tabu. Sie könnten die Plattformen falsch benutzen und KI-generierte Inhalte falsch verstehen.

Als der 25-jährige Influencer Levi Penell das bei „Hart aber fair“ forderte, war die Aufregung groß. Die Boulevardpresse brachte die unmögliche Forderung des Influencers auf ihren Titelseiten, und der ein oder andere Boomer fühlte sich wirklich angegriffen.

Dabei hatte die Forderung einen ernsten Hintergrund: In derselben Talkshow wurde nämlich über ein Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige diskutiert. Und im Gegensatz zu Penell meinten die Po­li­ti­ke­r*in­nen den Vorschlag ernst.

TikTok und Instagram sollen also erst ab 16 erlaubt sein, wenn es nach Carsten Linnemann (CDU) geht. Weil sich die Welt offenbar zu schnell verändert und die Folgen für Jugendliche scheinbar außer Kontrolle geraten, muss aus seiner Sicht ein Verbot her. Dass Levi Penell diese absurde Forderung mit seinem Social-Media-Verbot ab 60 konterte, ist deshalb so genial, weil es die Hilflosigkeit des Politikers auf den Punkt bringt.

Wie würde so ein Verbot funktionieren?

Was Linnemann und seine CDU-Freund*innen da wollen, ist aus mehreren Gründen gefährlich:

Erstens bewirkt es das Gegenteil von dem, was es soll. Junge Menschen haben, so der Vorschlag Erfolg hätte, bis zum 16. Lebensjahr überhaupt keinen Zugang zu sozialen Medien. Was aber passiert, wenn sie 16 sind? Überschwemmt der Inhalt auf den sozialen Medien sie dann wie ein Tsunami?

Wer glaubt denn wirklich, dass junge Menschen so auch nur ansatzweise Medienkompetenz entwickeln können? Wer glaubt, man könnte Inhalte aus sozialen Medien steril hinter eine digitale Barriere packen, versteht offenbar nicht, wie das Internet funktioniert.

Das wahrscheinlichere Szenario ist nämlich ein anderes. Inhalte aus sozialen Medien landen mittlerweile regelmäßig auf anderen Plattformen. Sind Internetforen dann auch verboten für unter 16-Jährige? Wie sieht es mit Nachrichten aus? Darf ich als 16-jähriger Bengel das Meme, das ich auf Instagram gesehen habe, in die Whatsapp-Gruppe posten, wo auch jüngere Freunde sind?

Hält denn tatsächlich irgendwer es für realistisch, dass solche Altersgrenzen real eingehalten werden? Und wenn nicht, was passiert dann? Sagen wir dann bei jedem zukünftigen Problem mit Jugendlichen, das auf Inhalte auf sozialen Medien zurückzuführen ist: „Na ja, die dürften es ja eh nicht sehen“?

Solche Beschränkungen könnten niemals Bestand haben

Und, zu guter Letzt, wissen wir eigentlich genau, wie gut sogenannte Alterssperren im Internet funktionieren? Schätzungen zufolge kommen Jugendliche hierzulande mit 13 Jahren das erste Mal mit Internetpornografie in Berührung. Die aber ist erst ab 18 erlaubt.

Im Gegensatz zu „Social Media“ ist relativ gut abgrenzbar, was pornografisch ist und was nicht. Wenn man als Politiker überzeugt wäre, man könnte durch Altersbeschränkungen Jugendlichen Inhalte im Internet effektiv vorenthalten, sollte man bei Pornoseiten anfangen.

Andernfalls erscheinen diese Forderungen als das, was sie sind: Scheinlösungen, um sich nicht mit der wirklich substanziellen Frage auseinandersetzen zu müssen. Nämlich der, wie wir Teilhabe für Kinder und Jugendliche erreichen in einer Welt, die auf dem Internet basiert.

Schade nur, dass die wenigsten Boomer die Forderung von Penell als überspitzte Reaktion verstanden haben. Die meisten unter 16-Jährigen dagegen haben kapiert, was Penell sagen will. Wer hat da wohl mehr Medienkompetenz?

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