Bootsunglück vor griechischer Küste: 18 tote Flüchtlinge vor Kreta
Die Menschen waren tagelang ohne Wasser und Nahrung auf hoher See. Griechenland will noch härter gegen Migration vorgehen – gemeinsam mit Deutschland.
Unglück vor Kreta mit vielen Toten trotz maximaler Abschreckung: 18 Flüchtlinge wurden am Samstag vor der südkretischen Küstenstadt Ierapetra tot in einem Boot gefunden. Zwei Menschen überlebten. Nach jüngsten Angaben der griechischen Küstenwache habe es keinen Schiffbruch gegeben. Vielmehr seien die in dem Boot tot gefundenen Menschen mindestens einen Tag zuvor, also am Freitag, an Entbehrungen und Hunger gestorben.
Wie die taz in Athen erfuhr, sei das Boot 26 Seemeilen südlich der Kleininsel Chrysi gefunden worden. Chrysi liegt rund 9 Seemeilen südlich der Stadt Ierapetra im Libyschen Meer. Das Boot sei laut griechischen Medien von einem vorbeifahrenden Frachtschiff unter türkischer Flagge entdeckt worden, das sofort die griechische Küstenwache alarmiert habe.
Lokalen Medien zufolge teilten die beiden Geretteten den Behörden mit, dass das Boot ob des schlechten Wetters manövrierunfähig geworden sei. Die Passagiere hätten mit den Wellen gekämpft, ohne Nahrung und Schutz vor dem schlechten Wetter. In ganz Hellas wütete ab dem vorigen Donnerstag bis einschließlich Samstag das Sturmtief „Byron“. Es sorgte für Starkregen, Gewitter und starke Winde, auch südlich von Kreta.
Über die genaue Identität der Toten ist bisher nichts bekannt. „Die Toten werden in der Universitätsklinik von Heraklion identifiziert“, sagte der Bürgermeister von Ierapetra, Manolis Fragoulis. Informationen zufolge gebe es keine Anzeichen dafür, dass weitere Menschen im Meer vermisst werden. Alle Passagiere seien, tot oder lebendig, im Boot gefunden worden.
Unglück erinnert an Katastrophe von Pylos
Die Fluchtroute von Ostlibyen nach Kreta ist stets gefährlich. Dennoch schafften es nach UNHCR-Angaben im laufenden Jahr bis Anfang Dezember knapp 17.000 Migranten, den EU-Außenposten Kreta zu erreichen.
Das Unglück vor Ierapetra weckt Erinnerungen an die Katastrophe im Juni 2023 vor der südwestgriechischen Küstenstadt Pylos mit mutmaßlich rund 600 ertrunkenen Geflüchteten. Der Fischkutter „Ariadne“ war vom ostlibyschen Tobruk in See gestochen.
Die konservative Regierung in Athen unter Premier Kyriakos Mitsotakis verschärfte zuletzt ihren ohnehin betont harten Migrationskurs. Abgelehnten Asylbewerbern droht fortan eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren sowie eine Geldstrafe von mindestens 5.000 Euro, falls sie illegal in Hellas bleiben. Das Ziel: maximale Abschreckung.
Offenkundig zeigt der harte Migrationskurs vorerst Wirkung: In den ersten zehn Monaten 2025 wurden 39.495 irreguläre Migranten in ganz Hellas neu registriert. Dies sind 18 Prozent weniger als von Januar bis Oktober 2024. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres stellten 52.397 Personen einen Asylantrag in Hellas. 24,7 Prozent der Asylbewerber sind aus Afghanistan, 15,9 Prozent aus Ägypten sowie 12,4 Prozent aus Sudan.
Rückführungszentren in Afrika sollen Zahlen weiter drücken
Athens Migrationsminister Thanos Plevris will die Zahlen weiter drücken. Nach einem Treffen am 4. November in Berlin mit dem deutschen Innenminister Alexander Dobrindt gab Plevris bekannt, dass Hellas und Deutschland bei der Einrichtung von Rückführungszentren in Afrika zusammenarbeiten.
Dazu sagte Plevris, dass „Gespräche mit sicheren afrikanischen Ländern geführt werden, die illegale Migranten aufnehmen werden, die wir nicht in ihre Heimatländer zurückschicken können“. Berlin habe eine „wichtige Initiative“ ergriffen, Hellas wolle daran teilnehmen, so Plevris. Sein Credo: „Liegen diese Zentren fernab von Europa, wirken sie abschreckend auf Migranten.“ Doch das neuerliche Unglück vor Kreta zeigt: Sie wirken nur bedingt.
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