Borussia Dortmund vor dem Finale: Pedant ohne Pokal

Beim BVB stehen die Zeichen auf Abschied: Stürmer Aubameyang will Trainer Tuchel zum krönenden Abschluss den DFB-Pokal „schenken“.

Zwei Männer liegen sich in den Armen und lachen

Bild aus besseren Zeiten: Hans-Joachim Watzke und Thomas Tuchel im Jahr 2015 Foto: dpa

DORTMUND taz | Thomas Tuchel spricht ausgesprochen gern über die Zusammenarbeit mit den Spielern und das zwischenmenschliche Binnenklima beim BVB. Seitens der Spieler aber versiegte der Informationsfluss in den vergangenen Tagen zusehends – Pierre-Emerick Aubameyang immerhin gab vor dem Pokalfinale gegen Frankfurt ein klares Statement ab. Seinen Klub hatte der 27-jährige Gabuner beim 4:3 gegen Bremen gerade wieder in die Champions League und sich selbst zum erfolgreichsten Goalgetter der abgelaufenen Bundesligasaison geschossen, also betonte er: „Jetzt möchte ich dem Trainer den Pokal schenken.“

So viele Trophäen hat Tuchel in den 17 Jahren als Übungsleiter schließlich noch nicht errungen. Zwei A-Jugendmeisterschaften mit dem VfB Stuttgart (2005) und Mainz 05 (2009) stehen auf seiner Liste, für die Zeit im Profibereich wartet der gebürtige Krumbacher noch auf den ersten Eintrag.

Ebenso wie Aubameyang, der mit Saint Étienne zwar mal den Ligapokal und mit Dortmund zweimal den Supercup gewann – aber eben noch keinen echten Titel. Diese Lücke in der Vita verbindet die beiden äußerlich so unterschiedlichen Charaktere. Ebenso wie das mutmaßliche Adieu aus Westfalen in diesem Sommer.

Aubameyang soll die Vereinsführung Anfang der Woche um die Auflösung seines Vertrags gebeten haben. Und Tuchels Verbleib bei den Schwarz-Gelben erscheint extrem unwahrscheinlich – spätestens seit dem gezielt platzierten Interview von Hans-Joachim Watzke Anfang Mai. Darin hatte der BVB-Boss klare Meinungsverschiedenheiten mit dem Cheftrainer bestätigt – was die Terminierung des Champions-League-Spiels gegen den AS Monaco nach dem Attentat auf den Dortmunder Mannschaftsbus betraf.

Seine Ansichten legte Watzke damals gegenüber den Zeitungen der Funke-Gruppe dar – bezeichnenderweise missfällt Tuchel exakt diese Art der medialen Stellungnahme. Er habe eine „Abneigung gegen Interviews“, die in schriftlicher Form veröffentlicht werden, erklärte er bereits im Spätsommer 2015, als er beim „Schwarzgelben Talk“ auftrat und beteuerte: „Ich habe keinen Kontrollwahn.“ Aber: „Ein Pedant – ja, das bin ich ein bisschen.“

Thomas Tuchel

„In allen komplizierten Spielen, die auf Messers Schneide standen, haben die Jungs – egal in ­welcher Zusammensetzung – immer, immer, immer geliefert“

Sein Vorgänger Jürgen Klopp, mit dem Watzke ein inniges Verhältnis verbindet, ist den Borussen als Genussmensch in Erinnerung, der sich zwischendurch schon mal ein Bier gönnte und vor Pressekonferenzen in Wurstbrötchen biss. Asket Tuchel dagegen, der fast besorgniserregend hager daherkommt, konfrontierte seine Spieler neben höchst anspruchsvollen taktischen Finessen von Beginn an mit gesunder Ernährung.

Die Zusammenarbeit mit dem früheren Abwehrspieler ist zweifelsohne anstrengend, physisch und mental. Zugleich pocht Tuchel gerade am Ende dieser aus unterschiedlichen Gründen schwierigen, hoch emotionalen Spielzeit auf seine Erfolge. Er verweist auf den „größten personellen Umbruch im Klub seit zehn Jahren“ – und schmunzelt ironisch, wenn andere im Verein die Saison als nicht ganz gelungen beurteilen. Denn als Top-Argument für die eigene Arbeit sieht er selbst die Leistung seiner enorm jungen Mannschaft in echten Stresssituationen an.

„In allen komplizierten Spielen, die auf Messers Schneide standen“, betont der 43-jährige, „haben die Jungs – egal in welcher Zusammensetzung – immer, immer, immer geliefert.“ Er erwähnt die Heimspiele in der Liga gegen München und Leipzig, das Pokalhalbfinale bei den Bayern, das Achtelfinalrückspiel in der Königsklasse gegen Benfica Lissabon. Oder das 2:1 in der Gruppenphase bei Sporting Lissabon. „Danach hätten wir die Jungs eigentlich eine Woche lang um den Borsigplatz fahren müssen“, findet Tuchel – und betont: „Dieses Gefühl, in den entscheidenden Momenten immer da gewesen zu sein, gibt uns enormes Vertrauen für das Pokalfinale.“

Helfen will jeder, aber wie ist es, einen geflüchteten Syrer bei sich zu Hause aufzunehmen? Taz-Autor Hannes Koch teilte über ein Jahr lang Küche und Bad. In der taz.am wochenende vom 27./28. Mai erzählt er von dieser Erfahrung. Außerdem: In Polen trainieren immer mehr Paramilitärs für die Verteidigung der Nation. Warum machen die das? Und: Halligalli. Warum das Sgt. Peppers-Album der Beatles ein Meilenstein der Pop-Geschichte ist. Das alles am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo

Diese Zuversicht wird das Team des ambitionierten Querkopfs in Berlin auch gut gebrauchen können. Schließlich haben die Dortmunder den Showdown im nationalen Cup zuletzt dreimal hintereinander verloren. Eine neuerliche Pleite wäre „verdammter Mist“, weiß Innenverteidiger Sokratis. Zur Erörterung der angeblichen atmosphärischen Störungen zwischen Trainer und Mannschaft verweist der Grieche auf die Zeit nach dem Pokalfinale. Ebenso wie Abwehrkollege Matthias Ginter, der kein Wort über die Gemengelage verlieren will, über Thomas Tuchel aber sagt: „Was er taktisch drauf hat, habe ich so noch nicht erlebt.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.