Brasiliens Geheimwaffe: Wo geht es denn hier zum Team?

Brasilien konzentriert sich vor dem entscheidenden Auftritt gegen Serbien viel zu sehr auf Neymar. Dabei dreht sich das Spiel längst um einen anderen.

Philippe Coutinho läuft jubelnd über das Spielfelf nachdem die Brasilianer das erste Tor gemacht haben.

Philippe Coutinho macht das Team zu einem besonderen. Er selbst spricht lieber über Neymar Foto: Reuters

MOSKAU taz | Was für ein Theater! Verzweiflung, Angst und am Ende ein Spieler, der heult wie ein Schlosshund. Wenn Brasilien bei einer Weltmeisterschaft auftritt, dann ist das immer die ganz große Oper. Das Team von Trainer Tite geht nach dem 2:0 gegen Costa Rica als Erster der Gruppe E ins Spiel gegen Serbien. Es ist auf dem Weg Richtung Achtelfinale.

Keiner zweifelt daran, dass Serbien eigentlich nicht mithalten kann gegen Spieler, wie sie Brasilien aufs Feld schicken kann. Eigentlich. Der dritte Akt, den die Brasilianer bei diesem Turnier auf die Bühne bringen, wie könnte er anders werden als dramatisch? Schon gibt es erste Zweifel an der Arbeit von Trainer Tite. Der war in den letzten zwei Jahren über den grünen Klee gelobt worden, weil er es geschafft zu haben schien, aus all den zur Verfügung stehenden Hochbegabten ein Team zu formen.

Doch ein echtes Team hat niemand gesehen in den ersten beiden Spielen Brasiliens bei dieser WM. Mit Typen wie Neymar in der Mannschaft ist so etwas gewiss nicht einfach. Ihm gehören die Schlagzeilen, egal wie gut oder schlecht die anderen sind. Das kann Druck von den Mitspielern nehmen. Das kann aber auch einfach nur nerven. Vor dem Spiel gegen Serbien geht es wieder einmal vor allem darum, wie fit der teuerste Spieler der Welt ist. Vor dem Auftaktspiel gegen die Schweiz war es auch schon darum gegangen und vor der Partie gegen Costa Rica war es nicht anders.

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Ende Februar hatte er sich am Mittelfuß verletzt, hatte für seinen Klub nicht mehr spielen können und war eben vor dem Spiel gegen die Schweiz für topfit erklärt worden. Nachdem er das offensichtlich nicht war, erklärte man ihn vor der Partie gegen Costa Rica für endgültig fit. Auch da wirkte er gehemmt. Dann eben jetzt. Am Montag kam die Meldung aus dem brasilianischen Teamquartier in Sotschi, jetzt sei Neymar aber wirklich fit. Trainer Tite hat dann noch gesagt, er sei sich sicher, dass Neymar im Laufe des Turniers noch zu Hochform auflaufen wird. Ist er also doch noch nicht topfit?

Die Entschuldigung für eine möglicherweise dann doch nicht herausragende Leistung gegen Serbien wird also schon vor dem Spiel geliefert.

Wer ist der wirkliche Spielmacher?

Es scheint kein anderes Thema als Neymar zu geben im brasilianischen Team. Warum wird kaum über einen geredet, der wirklich fit ist, der eines der schönsten Tore des Turniers, das 1:0 gegen die Schweiz, geschossen hat, und dazu das bislang wichtigste, das 1:0 gegen Costa Rica in der 91. Spielminute?

Warum schwärmt man so wenig von einem Spieler, der Genialität verbreitet wie kaumein zweiter?

Warum schwärmt man so wenig von einem Spieler, der im Mittelfeld Genialität verbreitet wie kaum ein zweiter in Russland? Weil er im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen selten in Nahaufnahme zu sehen ist, weil er lieber den Ball als mit dem Ball am Fuß spielt, läuft der Kreative im zentralen Mittelfeld ein wenig unter dem Radar.

Da kann einer passen, so sicher und raumüberwindend wie kaum ein anderer, da kann einer Räume zustellen mit einem seltenen Gespür für Balleroberung und da kann einer Plätze auf dem Rasen besetzen, dass man den Eindruck gewinnen könnte, er sei einfach überall. Und doch wird kaum geredet über ihn. Er ist der Spieler, der die weitesten Wege geht. Er geht sie ohne Ball. Niemand bei Brasilien läuft mehr als er.

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Das macht ihn so außergewöhnlich in seinem Team. Das macht ihn auch so wichtig. Kein Wunder, dass Casemiro und Paulinho, bisher seine beiden Kollegen im Mittelfeld, neben ihm doch arg bieder wirken.

Brasilien kann weit kommen bei diesem Turnier, ganz egal ob Neymar zu 80, 90 oder 99,9 Prozent fit ist. Es ist Coutinho, der das Team zu einem besonderen macht. Darüber spricht er selbst nicht so gerne. Worüber er spricht? Über Neymar natürlich. „Wir wissen, dass er eine schwere Verletzung hatte und eine schwere Zeit hinter sich hat. Seine Freude darüber, wieder zurück auf dem Feld zu sein, ist einfach ansteckend. Alle sind froh, dass er wieder da ist.“ Demnach wäre ja Neymar dafür verantwortlich, dass Coutinho so gut spielt. Wer’s glaubt.

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