Braunkohle bedroht Flüsse: Die braune Gefahr

Spree, Pleiße und Elster färben sich rot: Eisenhydroxid, eine Folge des Braunkohleabbaus, bedroht die Tier- und Pflanzenwelt. Das Problem wird Jahrzehnte bleiben.

Verockerung sieht zwar irgendwie ganz hübsch aus auf den Foto. Ist aber gar nicht hübsch. Bild: dpa

SENFTENBERG taz | Rostrote Farbe in der Spree, das Biosphärenreservat Spreewald droht zu verockern. „Stellenweise wurden bis zu 50 Milligramm Eisenhydroxid je Liter gemessen“, sagt Isabell Hiekel, Sprecherin des Aktionsbündnisses „Klare Spree“. Rot färbt sich das Wasser bereits ab 2 Milligramm.

Betroffen ist eine Fläche von 900 Quadratkilometern, „anderthalb Mal die Fläche von Berlin“, illustriert Klaus Zschiedrich, Sanierungschef der Lausitzer Mitteldeutsche Bergbau-Verwertungsgesellschaft LMBV. Es geht um die Folgen des Braunkohletagebaus in der DDR: Neun Milliarden Euro haben Deutschlands Steuerzahler bislang für die Umweltsünden der SED-Politik zahlen müssen, in diesem Frühling kommen ziegelrote Fließe dazu.

Das Phänomen kommt vom Phyrit: Im Lausitzer Boden lagert neben der Braunkohle auch Eisenerz. Wird das von den riesigen Abraumbaggern zu Tage – also an die Luft – gefördert, oxidiert es zu Sulfat und Eisenhydroxid. Das Erste macht das Wasser basisch, das Zweite färbt es ockerrot.

Aufgetaucht sei das Problem bei einigen Zuflüssen des Spreewaldes schon vor vier, fünf Jahren, sagt Flussaktivistin Hiekel. „Richtig akut ist es aber erst nach den jüngsten Hochwässern geworden“. Die hatten im vergangenen Jahr und 2010 nämlich dafür gesorgt, dass das Grundwasser - wegen der Tagebaue einst abgesenkt - wieder stark anstieg. „Das hat Sulfate und Eisenverbindung ausgewaschen.“ Jetzt wird das Problem sozusagen mit dem Bade in die Spree gespült.

Im Februar war Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) deshalb in die Lausitz geeilt, um den besorgten Einheimischen ein 9 Millionen Euro teures Sofortprogramm zu verkünden. Der Tourismus ist im Spreewald wichtigste Einnahmequelle, 300 Millionen Euro bringen die Urlauber jedes Jahr hierher. „Eisenhydroxid ist für die menschliche Gesundheit ungefährlich“, heißt es in einem Flugblatt für die lokale Tourismus-Industrie.

Schlecht für den Tourismus ist die rotbraune Soße dennoch: Geht das Zeug denn wieder ab von den Füßen, wenn man sie aus dem Spreewaldkahn ins Wasser hängt? Platzeck versprach deshalb, mit Chemie die rote Flussfarbe zu beseitigen: Kalk soll neutralisieren.

Das Eisenproblem bleibt „150 Jahre“

LMBV-Sanierer Zschieder spricht von einem „Ewigkeitsproblem“: Die nächsten 50 bis 100 Jahre würde der Eisenhydroxidschlamm die Sanierer auf Trapp halten. „Unsere Strategie ist, einen Schutzgürtel um das Biosphärenreservat Spreewald zu errichten“. Später soll eine Art Endlager für den Eisenschlamm errichtet werden – mindestens 2.500 Tonnen jährlich. „Aktuell kostet das 75 Euro pro Tonne“, sagt Zschieder, der einräumt, dass die Preise „ins Unermessliche“ steigen werden.

„Die Verantwortlichen behaupten immer: Für die menschliche Gesundheit sei der Eisenocker unbedenklich“, sagt Sabine Niels, bündnisgrüne Landtagsabgeordnete und dort für Bergrecht zuständig. „Für die Umwelt aber hat der Eisenocker katastrophale Auswirkungen: Er verklebt Fischen die Kiemen, versauert die Gewässer, tötet jedes Element einer aquaren Lebenswelt.“ Jede weitere Abraumkippe, jeder neue Tagebau, verlagert das Problem weitere 100 Jahre in die Zukunft. Ministerpräsident Platzeck will drei neue Braunkohlefelder erschließen, damit, so Niels, „der Spreewald auch noch in 150 Jahren ein Eisenproblem hat“.

„Das Problem wurde von der Politik genauso wie vom Bergbau komplett unterschätzt“, sagt Gisela Kallenbach, umweltpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen in Sachsen. Im Mitteldeutschen Braunkohlegebiet bei Leipzig sind die Flüsse Elster und Pleiße betroffen. Völlig ungeklärt sei, wer die Zusatzkosten übernimmt.

Zum Beispiel im unbeteiligten Berlin: „Sehr viel Trinkwasser wird dort aus Uferfiltrat gewonnen. Stellenweise ist schon eine Sulfatbelastung von 700 Milligramm je Liter gemessen worden, der Grenzwert im Trinkwasser liegt aber bei 250 Milligramm“, erläutert Gisela Kallenbach. Die bedeute: Berlin muss vielleicht demnächst deutlich mehr Klär-Aufwand für sein Trinkwasser betreiben. Die Kosten aber trage dafür weder Vattenfall noch das Land Brandenburg. Kallenbach: „Das zahlen die Berliner“.

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