Brennelementefabrik Lingen: Atomfabrik soll weg

In Frankreich wird über das Aus der Atombrennstofffabrik Lingen nachgedacht. Die Bundesregierung will davon nichts wissen.

Polizisten räumen Protestierende gegen die Atomfabrik in Lingen

Die Polizei räumt Protestierenden gegen die Atomfabrik in Lingen Foto: dpa

BERLIN taz | Nach dem Brand in der Atombrennstoffabrik Lingen haben Um­weltschützer*innen Strafanzeige gegen deren französische Betreiberfirma Framatome erstattet. „Wir erwarten von der Staatsanwaltschaft, dass sie die Ermittlungen mit Nachdruck voranbringt“, sagte Christina Burchert vom Arbeitskreis Umwelt. „Ein Brand im nuklearen Bereich ist keine Petitesse.“

Bei der Explosion war am 6. Dezember das Labor der Brennelementefabrik ­zerstört worden. Erst am Montag habe Framatome eingeräumt, dass der Verbleib von mehreren hundert Gramm radioaktiven Urans unklar sei, klagen die Atomkraftgegner*innen. Zunächst hatte die Betreiberfirma verharmlosend von einem Feuer im „nichtnuklearen Teil“ der Anlage gesprochen.

Die Brennelementefabrik ist Zweig eines atomindustriellen Clusters im Grenzland. Im niederländischen Almelo und im westfälischen Gronau stehen Urananreicherungsanlagen (UAA), deren Produktion im niedersächsischen Lingen zu Atombrennstoff weiterverarbeitet werden kann. Beliefert werden die belgischen Risiko-Kraftwerke Doel und Tihange ebenso wie die störanfälligen französischen Meiler Cattenom und Fessenheim. In Nordrhein-Westfalen sorgen besonders die belgischen Reaktoren, in deren Druckbehältern Tausende ­Haarrisse entdeckt wurden, für Unruhe. Tihange liegt keine 70 Kilometer entfernt von Aachen.

Auf Bundesebene versprechen CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag, sie wollten „verhindern, dass Kernbrennstoffe aus deutscher Produktion in Anlagen im Ausland, deren Sicherheit aus deutscher Sicht zweifelhaft ist, zum Einsatz kommen“. Am Dienstag gab es dazu ein Treffen von Mitarbeiter*innen des Kanzleramts und der Bundesministerien für Umwelt, Wirtschaft, Justiz, Finanzen, Inneres sowie des Außenamts. Ergebnisse wurden nicht mitgeteilt.

Bundesregierung hat Bedenken gegen Schließung

In der Bundesregierung gibt es offenbar massive Bedenken gegen eine Schließung der beiden deutschen Atomfabriken. Die Gronauer Urananreicherung sichert Deutschland zumindest theoretisch den Zugriff auf Atomwaffentechnologie. Genau deshalb scheinen beide Anlagen vom Atomausstieg ausgenommen worden zu sein: Sie verfügen über eine unbefristete Betriebsgenehmigung.

In Frankreich ist das Aus zumindest der Brennelementefabrik dagegen sehr wohl Thema. In einem Schreiben der Präfektur der südfranzösischen Region Okzitanien, das der taz vorliegt, heißt es zur Begründung des Ausbaus einer Atomfabrik in Narbonne am Mittelmeer, die Herstellung von Atombrennstoff solle „auf französisches Territorium“ zurückverlegt werden. Grund dafür sei „das Anhalten der Produktion (in 2021) in der Anlage in Lingen in Deutschland“.

Christina Burchert, Arbeitskreis Umwelt

„Ein Brand im nuklearen Bereich ist keine Petitesse“

Wirtschaftlich Sinn ergeben würde das auf jeden Fall: Nach dem Brand steht die Produktion der Brennelementefabrik bis heute still. Mit dem deutschen Atomausstieg fallen bis 2022 außerdem sieben deutsche Atomkraftwerke als Kunden aus. Der ehemalige Mutterkonzern der Betreiberfirma Framatome, Areva, musste nach massiven Verlusten 2017 vom französischen Staat mit 2,5 Milliarden Euro gestützt werden – und wurde danach zerschlagen.

Die Bundesregierung zeigte sich von dem Schreiben der französischen Präfektur überrascht. Weder vonseiten des französischen Staates noch der Betreiberfirmen, sagte eine Sprecherin von SPD-Umweltministerin Svenja Schulze der taz, seien Planungen „bekannt, die Produktion von Kernbrennstoffen in der Anlage in Lingen zu reduzieren oder einzustellen“.

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