Brennende Amazonas-Wälder: Die Vernunft der Brandstifter

Alle schimpfen über den Feuerteufel Bolsonaro. Aber solange wir unser Agrarsystem nicht ändern, ist es logisch, den Amazonas niederzubrennen.

Rauch über brenndendem Wald

In Brasiliens Regenwald wüten mehr als 80.000 Brände Foto: dpa

Das Plakat der Satirezeitschrift Titanic aus den achtziger Jahren schmückte lange meine Wand: Darauf kranke deutsche Bäume und die Schlagzeile: „Unglaublich! Bonn rettet den Wald!“ Denn an der Buche im Vordergrund hing ein gelbes Schild: „Waldsterben verboten! Die Bundesregierung.“

Offenbar hat Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro ebenfalls mit Gewinn die Titanic gelesen. Zumindest hat er diesen Witz übernommen. Und jetzt für die nächsten zwei Monate verboten, den Regenwald anzuzünden. Dabei hat er wahrscheinlich laut gelacht.

Denn die weltweite Empörung über das flammende Inferno am Amazonas ist so absurd wie heuchlerisch. Selbstverständlich ist das eine brutale Öko-Schweinerei und ein Verbrechen gegen die Mensch-, Tier- und Pflanzenheit.

Aber die Einzigen, die dabei einigermaßen rational handeln, sind die Brandstifter in Brasilien: Für die Sojamafia und das Fleischkartell sowie für viele Kleinbauern sind die Brandrodungen ihr Geschäftsmodell. Klar, sie brennen eine Schatzkammer der Natur nieder. Und ihre und unsere Zukunft gleich mit. Aber das ist aus ihrer Sicht nur konsequent.

20 Millionen Euro gegen das Feuer

Wir Industrieländer haben schließlich in den letzten Jahrhunderten peu a peu unsere Urwälder komplett gegen Äcker, Felder und Autobahnen eingetauscht. Jetzt sorgen wir uns mit Vorliebe um jene Natur, die möglichst weit weg ist. Wir haben eine weltweite Arbeitsteilung durchgesetzt, wo unser Fleisch, das Futter für unsere Tiermast und das Palmöl für unsere Margarine von diesen Äckern am Äquator kommen.

Jedes Jahr pumpen wir Europäer (ähnlich wie die USA und China) Milliarden von Euro in Agrarsubventionen, damit das so bleibt. Dann bieten wir 20 Millionen an, um die Brände zu löschen, die daraus entstehen. Wir schließen einen Freihandelsvertrag, der dieses System zementiert und verweisen auf niedliche Regeln zur Nachhaltigkeit, die nicht mal Sanktionen vorsehen. Ich höre Bolsonaro schon wieder lachen.

Wer mal am Amazonas war, der begreift: Der Wald wird abgefackelt, weil er so unfassbar groß ist, dass er als unerschöpflich gilt. Weil er kein Geld bringt, solange er da nur rumsteht, anders als ein Sojafeld. Und weil oft nicht einmal klar ist, wem welches Land gehört – den Indigenen, dem Staat oder den Pistoleros der Agrarunternehmer? Wer daran etwas ändern will, und das ist dringend nötig, sollte keine Löschflugzeuge finanzieren, sondern die Zivilgesellschaft in Brasilien. Es geht um Aufklärung, Bildung, zivilen Widerstand, die Schaffung und Durchsetzung des Rechts.

Das ist leicht gesagt, schon klar. Immerhin geht das gegen einen Präsidenten, der das Recht verachtet, offen für die Vernichtung des Walds wirbt und Umweltschützer für die Feuer verantwortlich macht. Und dessen zweiter Vorname „Messias“ ist. Dass er sich von Gott berufen fühlt, dessen Schöpfung zu rasieren, hat er mit dem anderen „Auserwählten“ gemein, der auch noch die Yankee-Regenwälder abholzen will. Der Gottgesandte Donald Trump will die Wälder in Alaska lieber abholzen, ehe sie durch den Klimawandel, („eine Erfindung der Chinesen“), in Flammen aufgehen. Auch eine Art von Logik.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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