Brexit-Gespräche in Großbritannien: Es bleibt nur die Einigung mit Labour

Bisher haben Theresa May und Labour sich noch nicht für einen Kompromiss zusammengefunden. Trotz Geschrei gehen die Gespräche weiter.

Ein Mensch steht in ein Cap mit Großbritannien-Flaggen gehüllt neben einer EU-Flagge und einem Plakat mit einer Zeichnung von Theresa May und Jeremy Corbyn und der Aufschrift: „Bitte hört auf, uns zu blamieren“

Wollen nicht mehr blamiert werden: Brexit-müde Brit*innen Foto: ap

LONDON taz | In ihrer Reaktion auf die Verlängerung der Frist für den Brexit bis zum 31. Oktober betonte Großbritanniens Premierministerin Theresa May, dass sie auf ein Übereinkommen bis zum 22. Mai hoffe, denn dann müsste das Land nicht an den Europawahlen teilnehmen. Hierzu bräuchte sie eine Übereinkunft mit der Labour-Partei in den weiteren gemeinsamen Verhandlungen. Das sei im „nationalen Interesse“. Europawahlen würden die Briten beider Seiten nutzen, um ihren Protest auszudrücken.

Doch einfach wird dies nicht werden, vor allem, da die Forderung nach einer Volksabstimmung über das Austrittsabkommen als Bedingung für Labours Zustimmung im Raum steht – es sei denn, May stimmt einer engeren Anbindung an eine Zollunion und verschiedenen Rechtsgarantien zu. Wie wichtig diese Labour sind, wiederholte auch deren Chef Jeremy Corbyn am Donnerstag im britischen Unterhaus. Das dürfte wiederum zu Widerstand in seiner eigenen Partei führen. May wie Corbyn unterstrichen die Notwendigkeit eines Kompromisses.

Selbst wenn May einem zweiten Referendum zustimmen würde, wären laut Experten mindestens 21 Wochen Vorbereitungszeit nötig. Wegen der parlamentarischen Sommerpause läge der früheste Termin hierfür knapp vor dem 31. Oktober. So gesehen hatte EU-Ratschef Donald Tusk Recht, als er Großbritannien am Donnerstagmorgen warnte, dass das Land keine Zeit verschwenden dürfe. Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox erklärte unterdessen, dass die Regierung bezüglich dieses Punkt hellhörig geworden sei.

Auch Neuwahlen in Großbritannien würden eine Teilnahme an den Wahlen zum Europäischen Parlament nicht ausschließen. Die Wahlen in Großbritannien können durch May selber oder durch eine Misstrauensabstimmung Labours erzwungen werden. Aber sie könnten erst zwei Monate nach ihrer Ansetzung durchgeführt werden, sodass die Wahlen für das Parlament in Straßburg in die Quere kämen.

Nur eine deutliche Mehrheit der einen oder anderen Partei bei Neuwahlen würde den Brexit-Prozess einfacher machen. Aber genau das ist fraglich. Neuwahlen könnten sowohl für Labour als auch für die Tories riskant sein. Ein Vorgeschmack darauf könnten bereits die Regionalwahlen in England und Nordirland am 2. Mai ergeben.

Politisch geht es erst am 23. April weiter

Keir Starmer, der Brexit-Beauftragte der Labourfraktion, reagierte am Donnerstag positiv auf die Fristverlängerung. Dabei räumte er ein, dass die Regierung und Labour bei den Brexit-Verhandlungen noch weit voneinander entfernt seien. Besorgt wies er genauso wie Corbyn auf die Möglichkeit hin, dass eine neue Person an der Spitze der konservativen Tories jegliches Ergebnis von derzeitigen Verhandlungen für nichtig erklären könnte.

Erz-Brexiter Bill Cash fragte die Premierministerin am Donnerstag im Unterhaus sogar direkt, ob sie zurücktreten würde. May wies es ab

Der ehemalige Brexit-Minister David Davis betonte derweil, dass der Druck auf May, zurückzutreten, immens gestiegen sei. Hardcore-Brexiter Bill Cash fragte May am Donnerstag im Unterhaus sogar direkt, ob sie zurücktreten werde. Sie wies das zurück.

Zwar könnten die konservativen Brexiter versuchen, May zu einem freiwilligen Rücktritt zu bewegen, doch auch das würde die Sachlage kaum ändern. Eine Wende hin zu einem härteren Brexit stünde sowohl gegen den Austrittsvertrag als auch den Willen des Parlaments, welches mit klarer Mehrheit einen ungeregelten Austritt ausgeschlossen hatte.

Im Grunde bleibt Mays Regierung trotz weiterer Kritik von allen Seiten nur eine Einigung mit Labour. Beide Seiten sind weiter zu Gesprächen bereit. Immer häufiger sprechen sich sogar ehemalige Brexit-Befürworter dafür aus, den Brexit ganz fallen zu lassen. Konservative wie Peter Oborne und Daniel Kaczynski oder der einflussreiche Radiomoderator Nick Ferrari würden nun lieber in der EU bleiben, denn so habe Großbritannien mehr Mitspracherecht als bei einem weichen Brexit.

Politisch geht es aber wegen der Osterferien erst am 23. April weiter. Vielleicht kommen die Briten dann ausgeruht auf eine Brexit-Lösung.

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