Brexit nimmt parlamentarische Hürde: Time to Say Goodbye

Der EU-Austritt ist vom britischen Parlament abgesegnet. In den Verhandlungen mit Brüssel wird es vor allem um Geld und Bürgerrechte gehen.

Porträt Theresa May

In Sachen Brexit hat auf britischer Seite ab jetzt nur noch Premierministerin May das Sagen Foto: reuters

BERLIN/BRÜSSEL taz | Die parlamentarischen Debatten sind vorbei, nun beginnt die Phase der politischen Verhandlungen. Beide Kammern des britischen Parlaments billigten am späten Montagabend eines der kürzesten Gesetze der britischen Geschichte, es besteht nur aus einem Satz: „Die Premierministerin darf die Absicht des Vereinigten Königreichs zum Austritt aus der EU, gemäß Artikel 50 des Vertrags über die Europäische Union, bekannt geben.“

„Dies ist nicht der Zeitpunkt für politische Spielchen“, verkündete die konservative Premierministerin Theresa May am Dienstag vor dem Unterhaus. Ihr Begehren, den Brexit-Antrag unbelastet von Bedingungen der Abgeordneten stellen zu können, hat sie durchbekommen: Das Unterhaus stimmte am Vorabend zwei Änderungsbeschlüsse des Oberhauses nieder, und die Lords und Ladies im Oberhaus leisteten keinen weiteren Widerstand.

Das Brexit-Gesetz muss nun von der Queen per Unterschrift in Kraft gesetzt werden, was laut May „in den nächsten Tagen“ geschehen soll. Am 27. März, so heißt es in London, dürfte dann der Brexit-Antrag nach Brüssel gehen – zwei Tage nach den Feiern zum 60. EU-Jahrestag in Rom, denen Großbritannien schon mal fernbleiben wird.

„Wir sind völlig vorbereitet, der Brexit überschattet unsere Planungen in keiner Weise“, antwortete Bundeskanzlerin Angela Merkel auf die Frage, wie sich die EU darauf einrichtet. Ganz so reibungslos läuft es dann doch nicht: Die EU-Kommission führt zwar die Austrittsverhandlungen. Aber der Rat, die Vertretung der EU-Staaten, möchte das erste und letzte Wort behalten.

Deshalb kommt nach dem Brexit-Brief ein bürokratischer Mechanismus in Gang. Zunächst ist EU-Ratspräsident Donald Tusk am Zug. Spätestens 48 Stunden nach Eingang des Brexit-Antrags will er „Guidelines“ (Richtlinien) für die Verhandlungen vorlegen. Auf seinen Entwurf will die Kommission dann „sofort“ antworten – mit eigenen Empfehlungen für die auf zwei Jahre befristeten Brexit-Gespräche. Der EU-Sondergipfel am 6. April soll aus den Vorlagen dann ein Verhandlungsmandat erarbeiten.

London will keine 60 Millionen Euro zahlen

Vielleicht dauert es auch länger, bis die EU fertig wird. Denn Großbritannien will versuchen, potenzielle Partner wie Deutschland, Polen oder Irland auf eine „weiche“ Linie einzuschwören. Andere Länder könnten dagegenhalten, um mögliche Nachahmer vom EU-Austritt abzuschrecken, und damit Großbritannien in den ungeliebten „harten“ Brexit zwingen.

Zwei Knackpunkte zeichnen sich jetzt schon ab: Bürgerrechte und Finanzen. Sowohl die EU als auch Großbritannien haben es im Vorfeld abgelehnt, den Bestand der Rechte der über drei Millionen EU-Bürger in Großbritannien und der rund eine Million Briten in EU-Ländern vorab zu garantieren.

Der Brexit-Unterhändler der EU-Kommission, der Franzose Michel Barnier, will den Briten außerdem bis zu 60 Milliarden Euro (50 Milliarden Pfund) für den Austritt in Rechnung stellen. Die Summe setzt sich zusammen aus den britischen Anteilen an den bereits vorgeplanten EU-Haushalten für die Jahre nach dem Brexit, längerfristigen Zahlungsvorhaben sowie Anteilen an EU-Pensionszahlungen. Zu seinen Beiträgen innerhalb der EU, so die Brüsseler Haltung, sei Großbritannien verpflichtet, auch über das Ende der Mitgliedschaft hinaus.

London will aber auf keinen Fall so viel Geld berappen. Der Brexit-Ausschuss des britischen Parlaments beziffert die möglichen Verbindlichkeiten auf 15 Milliarden Pfund – man müsse ja den britischen Anteil am Wert von EU-Immobilien oder das britische Kapital in der Europäischen Entwicklungsbank gegenrechnen.

Die EU will den Briten bis zu 60 Milliarden Euro für den Austritt in Rechnung stellen

In seiner Anfang März vorgelegten Untersuchung kommt der Parlamentsausschuss sogar zum Schluss, dass es für die EU-Forderung gar keine Rechtsgrundlage gibt: Nach internatio­nalem Recht erlischt mit der Aufkündigung eines internationalen Vertrags jede Verpflichtung daraus. Ob das für den Brexit gilt, ist aber unklar, denn formal ist die EU gar kein Vertragspartner der Mitglieder, sondern ihr Vertragsgegenstand – was allerdings die Frage, welche Ansprüche sie stellen könnte, noch komplizierter macht.

Barnier ist inzwischen von seiner Linie abgewichen, wonach vor einer Einigung über diese Fragen keine anderen Gespräche möglich seien. Das hätte alles blockiert und zu einem „harten“ Brexit ohne Folgevereinbarung geführt. Der EU-Kommissar will jetzt nur noch eine Grundsatzeinigung; die genauen Zahlen können warten, wurde diese Woche berichtet. London verlangt, während dieser Gespräche auch die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU festzulegen, in Form von Handelsabkommen oder anderen Vereinbarungen. Dabei gilt die im Januar von Theresa May ausgesprochene Warnung, gar keine Vereinbarung zu erzielen sei besser, als einer schlechten Vereinbarung zuzustimmen.

Bis Oktober 2018 soll alles fertig sein. Danach muss das Austrittsabkommen noch vom Europaparlament gebilligt und vom Rat angenommen werden – Großbritannien hätte dabei schon nichts mehr zu melden. Nur das britische Parlament könnte sich noch querstellen. Der Brexit käme vermutlich trotzdem.

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