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Brief an Botschafterin in PakistanVon Frauen zu Frau

Gastkommentar von Martin Sökefeld

Afghanische Frauen aus dem Aufnahmeprogramm haben sich an die Botschafterin in Pakistan gewendet. Ein Hilferuf, um dem Taliban-Regime zu entgehen.

Viele Frauen in Afghanistan fürchten die Taliban und deren Macht Foto: André Hirtz/Funke Foto/imago

S eit August ist Ina Lepel deutsche Botschafterin in Islamabad, Pakistan. Kein einfaches Amt, vor allem jetzt. Am Dienstag bekam sie Post aus Kabul, Afghanistan: Frauen aus den humanitären Aufnahmeprogrammen des Bundes, die Mitte August von Pakistan nach Kabul abgeschoben wurden, haben ihr einen Brief geschrieben. Ärztinnen, Anwältinnen, Journalistinnen und andere, die sich für Freiheit und Gerechtigkeit engagiert hatten und nun die Rache der Taliban fürchten. Viele der Frauen sind alleinstehend und damit in Afghanistan völlig rechtlos, da dort Frauen immer einen männlichen Begleiter brauchen.

Die Frauen in Kabul schreiben: Dieser Brief werde „aus einem Leben, das aller Menschenrechte beraubt ist, an eine mächtige Frau geschickt, deren Land, Gesetze und Rechte intakt sind. Es ist das Schreiben von Frauen aus dem Osten, deren Geschlecht an sich schon ein ‚Verbrechen‘ ist, an eine Frau aus dem Westen, für die Frausein nicht dieselbe Last der Diskriminierung bedeutet.“ Unterdrückte Frauen schreiben an eine Frau mit Macht – größer kann der Abstand zwischen ihnen nicht sein, und die Botschaft nicht dringlicher.

Bild: privat
Martin Sökefeld

ist Professor am Institut für Ethnologie der Ludwig-­Maxi­milians-­Uni­ver­si­tät München.

Im pakistanischen Abschiebelager waren die Afghaninnen körperlicher und verbaler Gewalt sowie endlosen Verhören ausgesetzt. In Afghanistan fürchten sie Verfolgung, Tod, Folter, sexuellen Missbrauch. Selbst in ihren Unterkünften fühlen sie sich nicht sicher und fürchten die Taliban und deren Macht. Sie fragen – sich und die Botschafterin –, ob das Schutzversprechen der Bundesregierung nichts mehr gilt. Aber sie drücken trotz allem die Hoffnung aus, nach Deutschland in Sicherheit gebracht zu werden. Oder anders gesagt: Der Brief ist ein Appell an die Frauensolidarität der Botschafterin. Ob Ina Lepel dafür empfänglich ist?

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Die Versicherung von Außenminister Johann Wadephul, bis Ende des Jahres würden keine Af­gha­n*in­nen aus den deutschen Aufnahmeprogrammen von Pakistan nach Afghanistan abgeschoben, ist im Übrigen nichts wert. In Islamabad werden immer wieder Menschen aus den Gästehäusern festgenommen.

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1 Kommentar

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  • Ich verfolge dieses Elend täglich mit und hoffe auf ein umfassendes schnelles Reagieren der deutschen Spitzenpolitiker, dass sie das Versprechen der deutschen Regierung an die afghanischen Ortskräfte einlösen! Aber Herr Wadephul windet sich wie ein Aal. Jetzt wird gefeiert, dass man sich abgerungen hat, fast 50 Menschen einzufliegen von über 2000, die schon seit Jahren warten. Ich schäme mich so sehr für diese Regierung. Es ist ein solches Elend!



    Und immer wieder die stereotypische Aussage, man werde gründlich jeden Einzelfall prüfen... Dazu hatte man mehrere Jahre Zeit! Wadephul wartet ab, bis sich das Problem von selbst erledigt und die meisten deportiert sind nach Afghanistan. Zudem sind die Menschen in unterschiedlichen Aufnahmeprogrammen, jetzt wird behauptet, einige der Programme seien nicht rechtssicher, für diese Menschen gäbe es kein Recht auf Asyl! Wie haben eine Million Ukrainer aufgenommen, aus gutem Grund - und für die ehemaligen Mitarbeiter der deutschen Truppen in Afghanistan, die sich großen Gefahren ausgesetzt haben - die ca. 2000 Ortskräfte, für die ist kein Platz mehr? Ich schäme mich für die Regierung, es ist schändlich!