Brisantes Bahn-Memo: Hart bleiben gegen Mehdorn

Die Bahn will Internet-Blogger juristisch in die Knie zwingen, weil sie geheime Sitzungsprotokolle veröffentlicht haben.

Spitzel-Bahn: Die Deutsche Bahn verstrickt sich immer mehr in die Datenaffäre. Bild: dpa

Die Bahn legt Wert auf Transparenz. Deshalb stochert sie auch gerne mal in den Privatdaten ihrer Mitarbeiter herum. Wenn es aber um die eigenen Angelegenheiten der Bahn AG geht, sieht es ganz anders aus. Informationen über den jüngsten Datenschutzskandal versucht die Bahn mit juristischen Mitteln zu unterdrücken. Es handele sich hierbei um Geschäftsgeheimnisse, schreiben ihre Anwälte.

Betroffen ist der Blogger Markus Beckedahl, der die Seite netzpolitik.org betreibt. Seit einigen Tagen findet sich dort ein Sitzungsprotokoll, das die Bahn der Öffentlichkeit vorenthalten will. Ende Oktober sprach die Berliner Datenschutzbehörde mit der Bahn AG über die Überwachung von Bahn-Mitarbeitern. Aufgezählt werden dort alle Projekte, die die Bahn mit der englischen Ermittlungsfirma Network abwickelte.

Aus diesem Protokoll geht zum Beispiel hervor, dass die Bahn gegenüber der Aufsichtsbehörde die Dimension der Überwachung gezielt verschleiert hat. "Bei den Großprojekten waren teilweise mehr als Tausend Personen, insbesondere Mitarbeiter, betroffen. Bei den Kleinprojekten insgesamt rund 500 Personen", heißt es in dem Schriftstück, das von einem Datenschützer angefertigt wurde. Dass Network dabei die Daten von 173.000 Bahn-Mitarbeitern ausgewertet hat, gab Bahn-Korruptionsbekämpfer Wolfgang Schaupensteiner erst Monate später zu.

Beckedahl, der öfter geheime Dokumente publiziert, hat dieses Protokoll von einem Informanten erhalten. Auf netzpolitik.org war es dann zum ersten Mal öffentlich und im Wortlaut nachzulesen. Bis dahin war es nur von einzelnen Journalisten auszugsweise zitiert worden.

Doch nun verlangt die Bahn, der Blogger solle das Dokument sofort von seiner Seite entfernen und eine "uneingeschränkte, unwiderrufliche Unterlassungserklärung" abgeben. Bis zum Freitag hat Beckedahl Zeit, der Abmahnung nachzukommen, ansonsten will die Bahn ihre Forderung "unverzüglich gerichtlich geltend machen". Die Abmahnung war zwar noch kostenlos, aber ein Rechtsstreit mit einem Großkonzern könnte einen fünfstelligen Betrag kosten - falls Beckedahl verliert.

Der Blogger will nun hart bleiben. "Die Öffentlichkeit hat ein Recht, wichtige Dokumente, die eh schon kursieren, im Original nachzulesen." Für Beckedahl ist das ein Grundprinzip des Blog-Journalismus: "Die Leser sollen sich ihre eigene Meinung bilden können und die Welt nicht nur über den Filter der Medien wahrnehmen." Für ihn ist das ein Präzedenzfall, den er notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht durchfechten will, wenn ihm die Mittel dazu reichen.

Auf Hilfe kann er dabei reichlich hoffen. Über Twitter und in Blogs verbreitete sich die Nachricht von der Abmahnung wie ein Lauffeuer. Binnen weniger Stunden trafen Hunderte von Solidaritäts-Mails und -Kurznachrichten bei ihm ein. Das brüske Vorgehen der Bahn hat den klassischen David-gegen-Goliath-Effekt ausgelöst. Gut möglich, dass die Bahn schon deshalb bald einen Rückzieher macht.

Aber auch juristisch ist ihre Position nicht besonders gut. Zwar ist es nicht abwegig, die Gespräche mit der Aufsichtsbehörde als Geschäftsgeheimnis einzustufen. Aber die Pressefreiheit hat in der Abwägung wohl größeres Gewicht. Darauf beruft sich der renommierte und mehrfach ausgezeichnete Blogger Beckedahl. Statt lückenlos aufzuklären, versucht die Bahn die Aufklärer mundtot zu machen.

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