Buch über Märchenwelt: Stummer Schwan, magischer Dschinn

Stilvoll werden märchenhafte Klassiker neu aufgelegt: „Der Schwan mit der Trompete“ und „Aladin und die Wunderlampe“.

Whites märchenhafter Roman ist eine Geschichte über Freundschaft und Freiheit. Bild: ap

Den fanfarenartigen Rufen, die an Trompeten erinnern und kilometerweit zu hören sind, verdankt der Cygnus buccinator seinen Namen: Trompetenschwan. Er ist der größte Vertreter seiner Gattung mit einer Flügelspannweite von über 2 Metern. Sein klingender Name inspirierte den US-amerikanischen Schriftsteller E. B. White 1972 zu dem märchenhaften Roman „Der Schwan mit der Trompete“.

In seiner Geschichte über Freundschaft und Freiheit greift der junge Trompetenschwan Louis ganz wörtlich zum Instrument – nicht aus einer überdrehten Laune heraus, sondern aus purer Not und Verzweiflung. Denn anders als seine vier Geschwister bleibt der heranwachsende Jungschwan stumm. Für seine Eltern eine Katastrophe. Ohne das trompetenhaft ausgestoßene „Ko-roh! Ko-roh!“ würde ihr Sohn niemals das Herz einer Schwanendame gewinnen.

Bereits in E. B. Whites früheren Werken, den beiden Kinderbuch-Bestsellern „Klein Stuart“ (1945) und „Wilbur und Charlotte“(1952) starten die Protagonisten mit Handicaps ins Leben: Stuart, eine 10 Zentimeter kleine Maus, wird in eine Menschenfamilie hineingeboren, und für Wilbur, ein viel zu mickriges Ferkel, hat der Bauer eigentlich den Tod vorgesehen.

„Der Schwan mit der Trompete“ beginnt recht verhalten mit dem elfjährigen Sam Beaver, der die Wochenenden mit seinem Vater in einer kanadischen Blockhütte verbringt. Der Junge entdeckt auf einem seiner Streifzüge durch die Natur den Brutplatz der Schwaneneltern. Er erlebt, wie Louis und die übrigen Küken aus dem Ei schlüpfen. Whites Geschichte nimmt im weiteren Verlauf eine fantastische Wendung, die er ruhig und gelassen erzählt. Man folgt als Leser fasziniert.

E. B. White: „Der Schwan mit der Trompete“. Dt. v. Jenny Merling. Diogenes Verlag, Zürich 2014, 160 Seiten, 14,90 Euro. Ab 8 Jahre

Philip Pullman (Text), Lorenzo Mattotti (Illustration): „Aladin und die Wunderlampe“. Aus dem Englischen von Martina Tichy. 88 Seiten, 22,90 Euro, Aladin Verlag, Hamburg 2014. Ab 6 Jahre

Der liebste Klang der Welt

Um seiner quälenden Sprachlosigkeit zu entfliehen, beschließt Louis nämlich Lesen und Schreiben zu lernen. Dank Sam Beaver und dessen Klassenlehrerin Mrs Hammerbotham gelingt es dem Jungschwan überraschend leicht. So kehrt er mit Schiefertafel und Kreide ausgerüstet erwartungsfroh zu seiner Familie zu den Red-Rock-Seen zurück. Mit den Menschen kann sich Louis nun problemlos austauschen, doch von den Schwänen kann leider keiner lesen.

In einer Verzweiflungstat, alles für das Glück seines Sohns gebend, schießt der Schwanenvater im Sturzflug durch das Schaufenster des Musikgeschäfts im nahe gelegenen Billings und entwendet eine kostbare Trompete. Und tatsächlich gelingt es Louis, dem gestohlenen Instrument einzelne Töne zu entlocken, aus denen schon bald ganze Melodien werden. Endlich kann er sich mitteilen – schreibend und musizierend. Damit beginnt für ihn ein neues, aufregendes Leben.

Er will Geld verdienen, um den von seinem Vater in Billings angerichteten Schaden zu bezahlen. Als Trompeter weckt Louis die Kinder in Sams Ferienlager und begeistert mit Jazzmusik die Gäste eines Nachtclubs in Philadelphia. Dem stummen Schwan gelingt es sogar, mit der Trompete die Liebe der schönen Schwänin Serena zu gewinnen. Er kehrt dem Leben in der Stadt den Rücken und wählt die Freiheit in der Natur. „Er nahm die Trompete und spielte: Button up your overcoat, the wind blows free“. Freund Sam notierte im Tagebuch: „Die Schwanentrompete ist mir von allen Klängen auf der Welt die liebste.“

Magie ohne Kitsch

Wer kennt es nicht, das orientalische Märchen „Aladin und die Wunderlampe“? Seit zweihundert Jahren wird diese Geschichte vom jungen Taugenichts erzählt, der seinen Eltern nur Kummer bereitet. Bis zu dem Tag, als ein mysteriöser Gewürzhändler bei ihnen auftaucht und ihn bittet, eine gut verborgene Öllampe zu bergen. Denn: „Heben kann diesen Stein nur Aladin, der Sohn Mustafas.“

In den „Garten der Wunder“ herabgestiegen, beginnt für Aladin das Abenteuer mit dem Dschinn in der magischen Lampe und endet für ihn glücklich im Sultanspalast an der Seite der schönen Prinzessin Badr-al-Budur. Der Hamburger Aladin Verlag (!) hat nun dem Märchen eine Neuausgabe gewidmet, zeitgemäß, ohne Kitsch und Patina. Besonders gelungen sind die farbexplosiven Illustrationen des italienischen Comiczeichner Leorenzo Mattotti.

Mit dynamischem Buntstiftstrich skizziert dieser klare, intensive Bilder vom märchenhaftem Zauber. Der britische Autor Philip Pullman hat der vielfach überlieferten Geschichte sprachlich einen eigenen Ausdruck verliehen und blieb doch dem Original in Inhalt und Form treu. So heißt es im Vorwort zu „Aladin“ zu Recht: Die Geschichte „vereint alles in sich: Komödie, Drama, Fantasy, Magie, Schrecken und Spannung“.

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