Bülent Ciftlik erneut auf der Anklagebank: Wirbel um eine bereinigte Anklage

Hamburgs früherer SPD-Sprecher Bülent Ciftlik ist angeklagt, Dokumente gefälscht und Zeugen bestochen zu haben. Nicht verhandelt aber werden zwei Vorwürfe, die Hamburgs SPD-Spitze beschädigen könnten.

Auf der Anklagebank: Bülent Ciftlik, einstiger Hoffnungsträger der Hamburger SPD Bild: dpa

HAMBURG taz | Es wird eng für den früheren Sprecher und Bürgerschaftsabgeordneten der Hamburger SPD, Bülent Ciftlik. Ab dem 18. Januar wird dem 39-jährigen ehemaligen Hoffnungsträger der Partei erneut der Prozess vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht gemacht. Bereits im Juni 2010 war Ciftlik wegen der Vermittlung einer Scheinehe erstinstanzlich zu einer Geldstrafe von 12.000 Euro verurteilt worden.

Doch diesmal geht es um mehr als einen Delikt. Nicht weniger als zehn Straftaten wirft die Staatsanwaltschaft Ciftlik vor, die Beweislage hält sie für "erdrückend". Wird Ciftlik, der alle ihm zur Last gelegten Taten bislang bestreitet und sich nicht zum Verfahren äußert, überführt, droht ihm eine mehrjährige Haftstrafe.

Die Anklageschrift liest sich wie ein Krimi-Drehbuch. Um seinen Einzug ins Hamburger Parlament zu befördern, soll Ciftlik seine Wahlhelfer in mindestens 56 Fällen angestiftet haben, Wahlunterlagen zu manipulieren.

So sollen seine Helfer Namen von Klingelschildern in Ciftliks Wahlbezirk abgeschrieben und für die Personen ohne deren Wissen und mit gefälschten Unterschriften Briefwahlunterlagen angefordert haben, um ihnen später beim Ausfüllen behilflich zu sein. Der Plan sei aufgeflogen, so die Ermittler, weil einer der "Antragsteller" bereits seit 17 Monaten tot war.

Die meisten Anklagepunkte beziehen sich aber auf das Scheinehe-Verfahren gegen Bülent Ciftlik, das im Rahmen des Prozesses erneut aufgerollt werden wird. So sollen mehrere ZeugInnen von Ciftlik zu Falschaussagen genötigt worden sein, in einem dieser Fälle floss laut Staatsanwaltschaft ein höherer vierstelliger Betrag. Eine der Zeuginnen hat ihre Aussage inzwischen widerrufen, sich selbst der Lüge vor Gericht bezichtigt.

Zudem sollen zwei Bekannte in Ciftliks Auftrag die Spionagesoftware "Spector Pro" auf dem Rechner der Mitangeklagten Nicole D. aufgespielt und so ihre Passwörter ausgespäht haben. Damit sei es ihnen gelungen, zwei gefälschte Mails heimlich auf ihren Rechner zu spielen, in denen sich Nicole D. bezichtigt, Ciftlik zu Unrecht zu belasten.

Spannend aber ist auch, was nicht zur Anklage kommt. Den Vorwurf der "Verleumdung" und der "Verleumdung politischer Personen" ließ eine Kammer des Landgerichts nicht zur Anklage zu, mit der Begründung, sie könne hier keine Straftat erkennen.

Der Hintergrund: Im November 2009 entlarvte die taz ihr zugespielte Polizeiprotokolle als Fälschung. Die Unterlagen sollten suggerieren, dass die SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Thomas Böwer und Mathias Petersen Ciftlik zu Unrecht beschuldigten, mehrfach Scheinehen eingefädelt zu haben, um türkische Landsleute vor einer Abschiebung zu bewahren.

Da die Anklage vom Tisch gewischt wurde, werden nun auch Petersen und Böwer nicht als Nebenkläger zugelassen - der ganze Komplex wird im Verfahren keine Rolle spielen. "Diese Entscheidung ist endgültig", bestätigt Gerichtssprecher Conrad Müller-Horn. Damit wird im Gerichtsaal auch nicht zur Sprache kommen, dass der ehemalige Hamburger SPD-Chef Ingo Egloff laut Staatsanwaltschaft schon im Juli 2009 über die Vorwürfe gegen Petersen und Böwer informiert war, die beschuldigten Abgeordneten davon aber nicht informierte.

Auch sein Nachfolger, der heutige Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz, wusste spätestens im Oktober 2009 über die Vorwürfe, die sich erst später als Fälschung entpuppten, setzte aber ebenfalls Böwer und Petersen davon nicht in Kenntnis.

Dass der Verleumdungsvorwurf und damit die Frage, warum Scholz und Egloff die Informationen zurückhielten, nicht zur Sprache kommen werden, daran wirkte auch die Zweite Strafkammer des Oberlandesgerichts, die ab dem 18. Januar gegen Ciftlik verhandeln wird, mit mehreren Beschlüssen mit.

Pikant ist dabei eine Personalie: Der Kammer gehört die Richterin Britta Schlage an - ebenfalls Mitglied des Hamburger SPD-Landesvorstands. Der hat wohl kaum ein Interesse daran, das große Schweigen von Egloff und Scholz noch einmal an die große Glocke zu hängen.

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