Bürgerbeteiligung in Braunschweig: VIP-Logen contra Krippenplätze

Am Sonntag stimmen die Braunschweiger über den Ausbau des Fußballstadions ab. Die Linke und BIBS würden das Geld lieber für Kitas ausgeben

So soll es aussehen: Das geplante Stadion, über das die Braunschweiger abstimmen können. Bild: Schulitz+Partner

BRAUNSCHWEIG taz | Die ganz großen Zeiten des Braunschweiger Fußballs sind längst vorbei. 1967 war die Eintracht (west)deutscher Meister, danach ging es abwärts. Doch seit einigen Jahren wogt neue Begeisterung durch Stadt und Region: Der Verein ist derzeit sogar Spitzenreiter in der 3. Liga, hat zwölfmal in Folge nicht verloren und beste Aufstiegschancen in die Zweite Bundesliga. Zu den Heimspielen pilgern wieder viele tausend Fans. Auch für die örtliche High Society sind die Spiele zum Event geworden, auf dem man sich gern sehen lässt.

Natürlich nicht auf den billigen Stehplätzen. Das von Club- und Stadtoberen, CDU und SPD sowie der lokalen Wirtschaft gepushte Ausbaukonzept für das Eintracht-Stadion sieht im Wesentlichen vor, dass auf der Westtribüne 800 Ehren- und Sponsorenplätze sowie 250 Logenplätze mit Gastronomie-Service geschaffen werden. Über dem Marathontor sollen weitere 326 Sitzplätze entstehen. Zudem ist der Umbau von Funktionsräumen im Erdgeschoss wie Umkleiden, Pressebereich und Behinderten-WC vorgesehen. Die Stadionkapazität von derzeit rund 25.000 Plätzen wird aber nicht erhöht.

Die Stadt will sich das Ganze einen dicken Batzen Geld kosten lassen. Der ohnehin klamme Haushalt würde mit 14,5 Millionen Euro belastet. Bereits 2008 hatte der Stadtrat den Stadionausbau beschlossen. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, die für die Stadt mit dramatischen Einbrüchen bei den Steuereinnahmen verbunden war, hatte sie das Projekt ein Jahr später aber gestoppt.

An diesem Sonntag sollen die Bürger nun abstimmen, ob der Ausbau in Angriff genommen wird. Die Kommunalpolitiker haben zugesagt, sich an das Votum zu halten. "Wir reagieren als erste deutsche Großstadt auf die durch Stuttgart 21 ausgelöste Debatte über eine rechtzeitige Bürgerbeteiligung bei Großprojekten", sagt Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU).

Er wirbt offensiv für ein "Ja". Die Steuereinnahmen hätten sich inzwischen "normalisiert", so dass sich die Stadt die Fortführung des Stadionausbaus leisten könne. Insgesamt nehme Braunschweig 2011 "aller Voraussicht nach" fast 31 Millionen Euro mehr ein als noch vor wenigen Wochen absehbar gewesen sei. Auf Kosten anderer Vorhaben gehe der Stadionausbau nicht.

Ganz anderer Ansicht sind die Linke und die ebenfalls im Rat vertretene Bürgerinitiative Braunschweig (BIBS). "Viel zu oft werden unsere Anträge zugunsten sozialer Projekte im Rat der Stadt abgelehnt. Mit der Begründung, sie seien nicht finanzierbar", beklagt die Linke. Die für den Stadionausbau veranschlagten Gelder würden dringender an anderer Stelle benötigt.

"Zum Beispiel könnte man dafür 483 Krippenplätze bauen, allen Grundschülern sechs Jahre lang ein kostenloses Mittagessen anbieten und 122 Sportplätze zehn Jahre unterhalten." Ähnlich argumentieren auch die Grünen. Die Stadt könne "definitiv 14,5 Millionen Euro weniger für andere Vorhaben ausgeben". Die Partei verzichtet auf eine Wahlempfehlung: Man werde "das Ergebnis akzeptieren, selbst wenn es nicht mit unseren Prioritäten beim Ausgeben städtischer Gelder übereinstimmen sollte".

Abstimmen dürfen am Sonntag alle Braunschweiger ab 16 Jahren, die die deutsche Staatsangehörigkeit oder die eines anderen EU-Landes haben - knapp 200.000 Menschen. Das Ergebnis soll abends bekannt gegeben werden.

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