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Bürgerkrieg in JemenKonflikte innerhalb der Anti-Huthi-Koalition

In Jemen kracht es zwischen von Saudi-Arabien und von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützten Gruppen. Profitieren davon könnten die von Iran unterstützen Huthis.

Das tägliche Leben in Sanaa vor den Friedensgesprächen zwischen den verfeindeten Parteien im Jemen Foto: Yahya Arhab/epa

Seit Jahren befindet sich Jemen im Krieg: Im Norden des Landes regiert die von der Islamischen Republik Iran unterstützte Huthi-Miliz, im Süden eine fragile, von Saudi-Arabien unterstützte Koalition. Doch die beiden Provinzen Hadhramaut mit der Regionalhauptstadt Al-Makalla und Al-Mahrah mit der Kapitale Al-Ghaida blieben bislang von diesem Konflikt relativ verschont.

Doch das ändert sich nun: Am 29. November besetzten die Hadhramaut Protection Forces Ölfelder des nationalen Unternehmens PetroMasila in Hadramaut. Der Grund: Der von Saudi-Arabien unterstützte Stammesführer Scheich Amr bin Habrish, dem die Miliz treu ergeben ist, war wütend. Denn er war gerade aus seiner Position als Anführer einer Stammesallianz entfernt worden. Seine Antwort: die Besatzung der Ölfelder und damit auch die Beschlagnahmung des Erdöls.

Auf diesen Schritt reagierte wiederum das sogenannte Southern Transitional Council (STC). Diese Miliz wird von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt und ist separatistisch, sie fordert die Unabhängigkeit des Südjemen vom Norden des Landes.

Innerhalb weniger Tage rückten STC-Kämpfer vor. Die in Hadramaut stationierten Truppen der sogenannten First Military Region leisteten kaum Widerstand. Berichten zufolge erhielten hochrangige Kommandeure der Truppen keine Befehle vom Verteidigungsministerium. Einige erklärten, der Minister habe nicht einmal ihre Anrufe beantwortet.

Auf dem Papier sind Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate Verbündete im Jemen. Doch sie verfolgen eigentlich konkurrierende Ziele.

Jemen ist heute de-facto geteilt

Die First-Military-Region-Truppen sind auf Linie mit der international anerkannten Regierung des Jemen in Aden und der Al-Islah-Partei. Diese ist ein Ableger der Muslimbruderschaft in Jemen.

Kurz nachdem sie ganz Hadramaut eingenommen hatten, rückten die STC in die Provinz Al-Mahrah an der Grenze zu Oman vor. Das Muster wiederholte sich: minimaler Widerstand, schnelle Übernahme. Nun kontrollieren die STC fast das ganze Gebiet der ehemaligen Demokratischen Volksrepublik Jemen – so nannte sich der Südjemen vor der Vereinigung mit dem Norden im Jahr 1990.

Eigentlich ist auch das STC mit der international anerkannten Regierung verbunden. Doch schon lange schwelte der Konflikt zwischen ihr und der First Military Region. Die STC warf dieser vor, die dschihadistische Miliz Al-Qaida zu tolerieren. Diese hatte Teile von Hadramaut kontrolliert, bis ebenfalls von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützte Truppen das 2016 beendeten.

„Eine Provokation“

Salah Batis, Stammesführer und Mitglied der Islah-Partei, sagt der taz: Die Übernahme von Hadramaut und Al-Mahrah durch die STC sei „eine Verletzung des Abkommens von Riyadh aus dem Jahr 2019“. Der Deal sollte die Anti-Huthi-Kräfte im Jemen bündeln. Unterzeichnet wurde er in der saudischen Hauptstadt von der international anerkannten Regierung in Aden, den Vereinigten Arabischen Emiraten und der STC. Die von Saudi-Arabien unterstützten Regierungstruppen und das emiratisch unterstützte STC hatten sich zuvor bekriegt.

Doch es gibt auch Zuspruch. Der aus Hadramaut stammende Politaktivist Mohammed bin Dahman äußert sich vorsichtig, aber bestimmt: „Als ein ‚Hadrami‘ unterstütze ich, dass die First Military Region nicht mehr unter Kontrolle ist.“ Sie habe mit Al-Qaida, aber auch den Huthis kollaboriert. Und: „Die Präsenz nördlicher Kräfte in Hadramaut war eine Provokation.“

Vielen Menschen in Hadramaut passte es nie, dass Soldaten aus dem Norden des Landes im Süden agierten. Im Jahr 1994 – vier Jahre nach der Vereinigung von Nord- und Südjemen zu einem Land – schlugen die Truppen aus dem Norden die separatistische Bewegung im Süden blutig nieder.

Infografik: Planet Neun

Partner nur auf dem Papier

Mohammed bin Dahman sagt: „Ich möchte nicht, dass weiter Blut in Hadramaut vergossen wird.“ Seine Sorge ist nicht ohne Grund: Jemenitische Zivilorganisationen haben vielerlei Menschenrechtsverstöße von Kämpfern des STC dokumentiert.

Auf dem Papier sind Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate Verbündete im Jemen. Und Partner in einer Koalition, die gegen die Huthis kämpft. In Wirklichkeit verfolgen sie jedoch konkurrierende Ziele: Riad unterstützt einen vereinigten Jemen und die international anerkannte Regierung. Abu Dhabi unterstützt die STC und die Abspaltung des Südens. Diese Rivalität lähmt die Anti-Huthi-Koalition seit Jahren.

Dass Hadramaut und Al-Mahrah an das STC fielen, zwang Saudi-Arabien nun zum Handeln. Am 3. Dezember entsandte Riyadh eine hochrangige Delegation nach Hadramaut. Die Botschaft war unmissverständlich: Die STC-Truppen von außerhalb der Provinz sollten sich zurückziehen. Die Kontrolle sollte an die sogenannten Homeland Shield Forces übergehen – eine islamistische Miliz, die 2022 mit saudischer Finanzierung gegründet wurde.

Innerhalb kurzer Zeit übernahm dann Homeland Shield die administrative Kontrolle über die Provinz Al-Mahrah, die an Oman grenzt und für Saudi-Arabien von strategischer Bedeutung ist.

In Sana'a beobachten die Huthis die Lage aufmerksam. Das Chaos im Süden ist eine Chance für sie: Sie sollen bereits Truppen entlang der Grenzfronten neu aufgestellt haben. Und sich auf eine neue Offensive vorbereiten, das ganze Land unter ihre Kontrolle zu bringen. Die internen Machtkämpfe ihrer Feinde sind ein Geschenk für die Miliz.

Übersetzung aus dem Englisch und Mitarbeit: Lisa Schneider

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