Bürgerkrieg in Syrien: Streit um Nato-Hilfe für die Türkei

Es handele sich nicht um militärisches Eingreifen, sondern um Bündnishilfe. So jedenfalls will die Bundesregierung die „Patriots“ für die Türkei verstanden wissen.

Sollen sie in die Türkei? Deutsche Soldaten mit Raketenwerfer. Bild: dapd/Detmar Modes/BMVg

BERLIN taz | Wortreich fordert die Opposition derzeit ihr Recht auf Mitsprache ein. Sollte die Bundesregierung tatsächlich „Patriot“-Flugabwehrsysteme an die türkisch-syrische Grenze schicken, brauche es ein Bundestagsmandat, verkünden SPD, Grüne und Linkspartei seit Tagen. Bündnisverpflichtung schön und gut, aber: Er warne vor der „Hurra-Mentalität“ einiger Koalitionspolitiker, sagte etwa SPD-Fraktiongeschäftsführer Thomas Oppermann am Montag. Er könne „noch nicht erkennen“, ob die Türkei tatsächlich von Syrien bedroht werde und der Nato-Bündnisfall greife.

Der Einsatz zweier Patriot-Staffeln würde neben den Raketenwerfern rund 170 Bundeswehrsoldaten erfordern. Während Oppermann dafür ein UN-Mandat bloß wünschenswert fand, bezeichneten die Grünen dies als zwingend – soweit syrisches Gebiet betroffen wäre. „Jegliche militärische Operation über dem Hoheitsgebiet von Syrien ohne ein UN-Mandat geht für Deutschland nicht“, sagte Fraktionschef Jürgen Trittin.

Nun hat die Bundesregierung überhaupt gar nichts gegen Mitsprache des Bundestag bei den Patriots für die Türkei – wenn diese gewünscht werden. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) würde solch ein Angebot ohne Rücksprache mit SPD und Grünen auch gar nicht machen. Deutsche Allparteienlinie ist: Niemand will militärisch in den Syrienkonflikt hineingezogen werden. Ein skeptischer Bundestag ist für de Maizière da bloß von Nutzen.

Aber ein klein wenig will man der Türkei entgegenkommen. De Maizière sagte am Montag: Wenn das Nato-Mitglied Türkei um die Raketensysteme bitte, „werden wir eine solche Anfrage solidarisch prüfen und schnell beantworten.“ Nämlich mit ja – gemeinsam mit den Niederlanden, die ebenfalls die modernen PAC-3-Patriots haben. Zur Bedingung der Grünen sagte de Maizière: „Es geht um den Schutz des Nato-Gebietes“: also um türkisches, nicht syrisches Gebiet. Keinesfalls solle eine Flugverbotszone errichtet werden. Die Patriot-Raketen seien daher eine rein vorsorgliche und defensive Maßnahme.

Inwieweit sie allerdings dafür geeignet wären, steht dahin. Laut dem Berliner Waffenexperten Otfried Nassauer verfügt die Bundeswehr derzeit über insgesamt 24 PAC-3-Flugkörper, „die auch Raketen abfangen können“. Üblicherweise werde mit zwei Flugkörpern eine Rakete beschossen. Rein rechnerisch könne die Bundeswehr also 12 Raketen aus Syrien abfangen. Nassauer dazu: „Und so schnell hat man 80 Millionen Dollar verfeuert.“

Dennoch könnten die Patriots mehr als bloß ein diplomatisches Schulterklopfen für den türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan sein. Denn erst im März hat die Bundesregierung angedeutet, Patriot-Systeme in die Türkei zu verlegen: als Beitrag zum „Nato-Raketenschild“, einem jahrzehntealten Mega-US-Abwehrplan insbesondere gegen den Iran. Das wohlmeinende Angebot an die Türkei könnte daher einen Zweitnutzen haben: Deutschland könnte so seinen Beitrag zum Nato-Raketenabwehrsystem eintüten.

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