
Bürgermeisterwahl in New York: Der Anti-Trump
Zohran Mamdani ist jung, muslimisch, sozialistisch. Wie hat der frisch gekürte Bürgermeisterkandidat der Demokraten die New Yorker von sich überzeugt?
R icky Silver ist schon leicht angetrunken, als er im Brickyard, einer Bierkneipe im New Yorker Finanzdistrikt, auf einen Tisch klettert. Man macht sich für einen kleinen Augenblick Sorgen um den Bezirksvorsitzenden der Working Families Party. Doch bald hat er festen Stand gefunden und übertönt, Ärmel hochgekrempelt und Schweiß auf der Stirn, mit seiner durchdringenden Stimme mühelos die Musik aus der Jukebox.
„Ich glaube, so viel Freude wie in der vergangenen Woche haben wir in der linken Politik schon lange nicht mehr verspürt“, ruft er in den Raum und erntet ein lautes Johlen der Menge. An den Bänken ringsherum sitzen mehrere Dutzend Mitglieder der Partei, einer jener zahlreichen progressiven politischen Gruppen der Stadt, die mit unermüdlicher Freiwilligenarbeit in den vergangenen Monaten Zohran Mamdani zur Bürgermeisterkandidatur der Demokratischen Partei verholfen haben. „Und genau darum ging es uns in diesem Wahlkampf: um Freude, positives Denken, um Visionen“, sagt Ricky, Vorsteher der Manhattaner Gruppe der WFP und im Zivilberuf Lebensmittelvertreter.
Die Freude, von der Ricky spricht, diese Leichtigkeit, gar ein klein wenig Hoffnung in den trüben Zeiten der Trump-Regierung, liegen im Brickyard schwer in der Luft. Die Wahl Mamdanis hat die stramm organisierten linken Truppen von New York, die praktisch über Nacht 60.000 Helfer:innen mobilisiert hatten, zutiefst beseelt. Die WFP gehört dazu, aber auch Netzwerke mit Namen wie Indivisible (zu Deutsch: Unteilbar) oder 50501 (kurz für 50 Proteste, 50 Staaten, eine Stimme).
Die Wahlen
Am 4. November 2025 wählt New York einen neuen Bürgermeister. Am 24. Juni fanden die Vorwahlen der Republikaner und der Demokraten statt. Letztere wählten überraschend den erst 33 Jahre alten Sozialisten Zohran Mamdani zum Kandidaten. Von 1994 bis 2013 stellten mit Rudy Giuliani und Michael Bloomberg Republikaner den Bürgermeister der US-weit größten Stadt. Seither wird New York von Demokraten regiert.
Die Sozialisten
Kleine Parteien wie die Demokratischen Sozialisten von Amerika können in den USA Kandidaten stellen und unterstützen, die für eine der beiden großen Volksparteien antreten können. Die Republikaner wählten Curtis Sliwa, einen Radiomoderator und Gründer der Bürgerwehr Guardian Angels. Seine Wahl gilt als aussichtslos.
Die Kandidaten
Der ehemalige Gouverneur Andrew Cuomo, der den Vorwahlkampf gegen Mamdani verlor, wird als Unabhängiger im Hauptwahlkampf antreten. Ebenso der amtierende Bürgermeister Eric Adams, der wegen Korruption, Inkompetenz und seiner Nähe zu Trump als aussichtslos gilt. Beide erhalten beträchtliche Spendengelder von einflussreichen Kreisen, die Mamdanis Wahl verhindern wollen.
Und eben auch Mamdanis Partei, die Demokratischen Sozialisten, die wie die WFP seit vielen Jahren mit Arbeitskraft und einem einflussreichen Netzwerk progressive Kandidat:innen unterstützen, um diese bei Wahlen auf den Listen der Demokraten nach vorne zu bringen. Auch Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez, der alte linke Kämpfer aus Vermont und die junge demokratische Abgeordnete aus New York, die gemeinsam mit ihren „Fight Oligarchy“-Protesten jüngst Zehntausende gegen Trump auf die Straßen holten, haben davon schon profitiert.
Yes, we can: reloaded
Die Ausgelassenheit, die Mamdani ausgelöst hat, ist in diesen Tagen jedoch nicht nur bei der Siegesfeier der WFP im Brickyard zu spüren. Sie hat von der ganzen Stadt sowie von Linksliberalen im ganzen Land Besitz ergriffen. Mamdani hat in den düsteren Zeiten der USA unter Trump, in denen Nachrichten von Migrantenstraflagern, willkürlichen Massenabschiebungen und massivem Sozialabbau die Schlagzeilen beherrschen, den Menschen etwas gegeben, woran sie sich klammern können.
Der junge, indisch-afrikanische Politiker galt noch Tage vor der Vorwahl der Demokratischen Partei um den Bürgermeisterposten als Außenseiter, hoffnungslos überpowert vom Ex-Gouverneur Andrew Cuomo und von den Verbindungen mit der Machtelite der Stadt. Doch sein überraschender Sieg demonstrierte die Macht der Menge, der einfachen Leute von New York gegenüber dem Filz des Establishments. Nun gilt er als Spitzenkandidat der Demokraten bei der Hauptwahl im November als aussichtsreichster Bewerber.
Mamdani ließ sich von Anfang an nicht von der Niedergeschlagenheit anstecken, die sich nach der Wiederwahl Trumps im Land breitgemacht hatte. Nur wenige Wochen nach der Wahl im November 2024 startete er seinen eigenen Bürgermeisterwahlkampf in New York. Dabei verkörperte er mit seinem erfrischend aufrichtigen Dauerlächeln auf den attraktiven Gesichtszügen vor allem eines: Die Dinge müssen nicht so bleiben, wie sie sind. Wir können anders denken, anders handeln. Was er sagte, war nichts anderes als: Yes, we can.
Das richtete sich zunächst vor allem an New Yorker, die an ihrer Stadt verzweifeln. Die Preisexplosion seit Covid hat die ohnehin überteuerte Stadt für jeden, der kein Wall-Street- oder Googlegehalt einstreicht, vollkommen unbezahlbar gemacht. Die Miete kostet mittlerweile im Durchschnitt 3.750 Dollar und dabei sind günstigere Außenbezirke wie die Bronx mit eingerechnet. In Manhattan sind 5.000 Dollar für zwei Zimmer mittlerweile normal. Wer heute als junger Mensch noch von der Energie der Stadt angezogen wird und hier etwas aus sich machen möchte, muss sich zu dritt oder zu viert in eine Zweizimmerwohnung stapeln.
Ein echter New Yorker
So sagt der Fotojournalist Ken Schles, der sich seit der ersten Regierungszeit von Trump Vollzeit der linken politischen Arbeit verschrieben hat: „Ich bin in den 70er Jahren hierhergekommen. Ich konnte hier eine Karriere als Fotograf machen und eine Familie großziehen. Meine Kinder können das nicht mehr.“
Genau diese Bevölkerungsgruppe, die jungen Hochgebildeten, die heute vorwiegend nach Brooklyn ziehen und sich nach jenem freien kreativen Leben sehnen, das Schles vor 30 Jahren noch vergönnt war, waren von Anfang an Mamdanis Kernpublikum. Ihnen hat er gesagt: Wir können das ändern. Das Leben in New York muss nicht nur hart sein. Es kann wieder schön und aufregend und inspirierend sein.
Mamdani elektrisierte sie. Der einfache Grund: Er ist einer von ihnen. „Er spricht wie sie, er denkt wie sie, er kleidet sich wie sie“, sagt Ken Schles. Late Night Talker Conan O’Brian witzelte: „Können Sie sich vorstellen, was bei Mamdanis sechs Mitbewohnern los war, als er die Wahl gewonnen hat?“

Mamdani lebt zwar allein mit seiner Lebensgefährtin, der Illustratorin Rama Duwaji, in einem bescheidenen Apartment in Queens – dem multiethnischsten Bezirk der Stadt. Doch ansonsten trennt ihn nicht viel von seiner Anhängerschaft. So hat er Duwaji etwa generationsgemäß auf der Online-Datingplattform Bumble kennengelernt. Und bis vor Kurzem war er nicht mehr als ein Mitzwanziger auf der Suche nach sich selbst – ein recht gewöhnlicher New Yorker also.
Ein kompromissloser Idealist
Seine Eltern, die indische Filmemacherin Mira Nair und der indisch-ugandische Postkolonialismusforscher Mahmood Mamdani zogen von Uganda nach New York, als Mamdani sechs war. Er wuchs im Umfeld der Columbia University auf, wo sein Vater schon lange vor den Protesten im Jahr 2024 eine der wichtigsten Stimmen der Pro-Palästina-Bewegung war.
Nach seinem Abschluss am renommierten Bowdoin College probierte Mamdani dieses und jenes aus. Er gründete mit seinem Kumpel Abdul Bar Hussein ein HipHop-Duo und produzierte witzig-ironische Flüster-Rap-Nummern mit New Yorker Themen aus der indischen Diaspora. Er half am Set bei Filmen seiner Mutter aus, die mit Werken wie „Mississippi Massala“, „Monsoon Wedding“ und „Salaam Bombay“ internationale Bekanntheit errang und sogar eine Oscar-Nominierung erhielt. Kurse in politscher Basisarbeit belegte Mamdani auch.
Seine eigene politische Karriere begann er, indem er Kandidaten für das New Yorker Stadtparlament, wie den evangelisch-palästinensischen Kandidaten Khader El Yateem, unterstützte. Dann kamen Covid und die Black-Lives-Matter-Proteste nach dem Tod eines jungen Schwarzen durch Polizeigewalt in die Stadt. Für Mamdani eröffnete sich plötzlich ein Fenster für links außen stehende Kandidaten wie ihn. Zusammen mit drei Genossen von der DSA wurde er ins New Yorker Staatsparlament in Albany gewählt.
Ins politische Establishment fügte sich Mamdani allerdings nicht: Furore machte er, als er in einen Hungerstreik trat, um einen Schuldennachlass für Taxifahrer durchzusetzen. Und er boykottierte einen Haushalt, der es Wohnungsbesitzern erlaubt hätte, bei Sanierungen zulasten der Mieter zu sparen. In Albany galt er bald als kompromissloser Idealist, als Überzeugungstäter.
Domino, Taxi, HipHop
So entfernte er sich nie wirklich von seiner Basis. Und von seiner Stadt. Mamdani ist durch und durch New Yorker und seine viel gepriesene Kampagne war vor allem auch eines: eine Liebeserklärung an New York City. Über Mamdanis Instagram- und Tiktokvideos vermittelte er vielen genervten New Yorkern, und offenbar mit Erfolg, eine positive Neu-Erzählung der Stadt. Mamdani versprach ihnen, dass er New York den Tech- und Wall-Street-Bros wegnimmt und ihnen zurückgibt – etwa in Form von kostenloser Kinderbetreuung und Bustransport, vergünstigten Lebensmittelpreisen in städtischen Läden und eine Art Mietpreisbremse bei geförderten Wohnungen.
Dabei war es weder das Hipster-Brooklyn noch das touristische Manhattan, das Mamdani besuchte. Sein erstes Wahlkampfvideo wurde in Brownsville gedreht, dem vermeintlich gefährlichsten Viertel der Stadt im Zentrum von Brooklyn. Er sprach dort mit Afroamerikanern, die gerade zu einem überraschend großen Anteil Trump gewählt hatten, über ihre Sorgen und Nöte. Und mit seiner offenen, charmanten Art fand er einen direkten Draht zu ihnen und überzeugte sie von sich. Er sprach ihre Sprache, die Sprache der Straße, und es wirkte nicht gekünstelt.
In der Folge sah man ihn mit dominikanischen Männern in Washington Heights Domino spielen. Er fuhr mit einem Taxifahrer von der Elfenbeinküste durch die Bronx und plauderte mit ihm über sein Leben. Er machte Selfies mit Fahrradkurieren. Und er sprach im HipHop-Podcast über Musik. Und immer wirkte er so, als liebe er die Menschen aus tiefstem Herzen und als sei er beglückt, seinen New Yorkern begegnen zu dürfen.

Im Kontrast dazu war sein Kontrahent, der ehemalige New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo, nie auf der Straße zu sehen. Cuomo lebt in einem vornehmen Vorort auf Long Island. Er sprach auf Gewerkschaftsversammlungen und gab Spenden-Dinners. Er machte Fernsehinterviews. Und er wirkte bei allem wie ein müder alter Mann, der das alles schon viel zu oft hat machen müssen.
Vertrauen der Ärmeren
Mamdani hingegen schaffte es, sich als jemand zu positionieren, dem die Stadt und wirklich alle ihre Bewohner am Herzen liegen. Überraschend an seinem Wahlsieg war nicht, dass er die Stimmen der jungen linken Polit-Elite und der Tastemaker aus Brooklyn errang. Was überraschend war und wahrlich Hoffnung machte, war, dass Mamdani in traditionell konservativen und tendenziell ärmeren Vierteln wie Brownsville, Bensonhurst oder Brighton Beach gewann.
Durch seinen Wahlsieg hat der junge Politiker aus Queens nun auch US-weit eine Mamdani-Mania ausgelöst. Mamdani zierte Zeitschriftencover von Vanity Fair bis zum New York Magazine. Er wurde in den Talkshows herumgereicht. Und die linke Presse überschlägt sich geradezu vor Euphorie. Auf dem Titel der linken Nation stand euphorisch: „New York hat keine Angst vor einem sozialistischen Bürgermeister“.
Der New Yorker Schriftsteller Joseph O’Neill, der seit Langem von innen die Lethargie und Verkalkung der Demokratischen Partei kritisiert, sagt bei einem Gespräch in einem Café in SoHo, die Linke habe in Mamdani „ein totemisches Behältnis“ gefunden. Für O’Neill ist Mamdani ein Fetisch, der aus der Verdrossenheit und Lähmung des Augenblicks herauszuführen scheint.
Joseph O’Neill, Schriftsteller
Das gelinge ihm laut O´Neill zum einen durch sein Charisma. Sein Aussehen, sein Stil, seine Klugheit und Wortgewandtheit, seine exotisch-komplizierte Herkunft, die er für sich zu nutzen wisse, weil sie eben „das bunte New York“ verkörpere. Mamdani habe ein Talent, sich scheinbar ohne Anstrengung mit Menschen jeglicher Couleur ins Benehmen zu setzen. Mit einer aufrichtigen Offenheit und Zuneigung für seine Mitbürger:innen, natürlich vor allem der New Yorker:innen.
New York ist nicht Iowa
Mamdani steht für einen Stilwechsel in der US-amerikanischen Politik. Unter Trump sind Karrierismus und Zynismus und, im Falle der MAGA-Bewegung, die nackte Menschenverachtung, etwa von Migranten, zur Norm geworden. Die Art und Weise, wie Mamdani mit seinem Parteigenossen und Rivalen, dem jüdischen Stadtkämmerer Brad Lander aufgetreten ist, um zu demonstrieren, dass sie trotz aller Differenzen besonders in der Haltung gegenüber Israel doch dasselbe wollen: Das hat viele gerührt. Mamdani scheint seinen Wähler:innen Hoffnung zu machen, dass man es auch anders machen kann, als Menschen zu spalten und gegeneinander aufzuhetzen.
In einem allerdings geht O’Neill die Mamdani-Mania zu weit geht: in der viel geäußerten Hoffnung, dass die Demokratische Partei mit ihm ein Rezept gegen Trump gefunden habe. New York sei nicht repräsentativ für den Rest des Landes, sagt O’Neill. Mamdani möge Afroamerikaner:innen in Brownsville und Latin@s in der Bronx davon überzeugen, dass progressive demokratische Politik für sie besser ist als Trumps Rechtspopulismus. Ob das mit Bauern in Iowa auch funktioniert, ist fraglich.
Immerhin hat Mamdanis Erfolg in New York das Parteiestablishment aufgerüttelt. Die Entscheider:innen schauen sich jetzt genauer an, was dort eigentlich passiert ist. Dass der junge Linke einen Kandidaten des Establishments mit seinem neuen Stil so deutlich geschlagen hat, das ist ein Signal. Und das findet auch O’Neill gut so. „Vielleicht begreifen Sie ja, dass es so nicht weitergeht.“
Sicher, Cuomo war angeschlagen. Er war unehrenhaft aus dem Gouverneursamt ausgeschieden, nachdem ihm mehr als ein Dutzend Frauen sexuelle Übergriffe vorgeworfen hatten. Und es wird noch immer gegen ihn ermittelt, weil er während der Pandemie vertuscht haben soll, dass seine Entscheidungen zu Todesfällen in Altersheimen geführt haben sollen.
Das Establishment wartet ab
Aber Cuomo steht vor allem auch dafür, wie in der Demokratischen Partei seit Bill Clinton Wahlkampf gemacht wird: mit viel Geld von Interessengruppen und Einzelpersonen, die sich Einfluss versprechen. Cuomo wurde vom Hedgefonds-Milliardär Bill Ackman finanziert, der auch Trump unterstützt.
Jetzt windet man sich an der Parteispitze. Man weiß nicht recht, was man mit Mamdani anfangen soll. Die Mächtigen der New Yorker Demokraten, die Senatoren Chuck Schumer und Hakeem Jeffries sowie die New Yorker Gouverneurin Kathy Hochul, haben ihm zwar gratuliert. Für den Hauptwahlkampf haben sie ihm die Unterstützung jedoch immer noch nicht zugesagt. Und Hochul hat bereits bekundet, dass sie bei Mamdanis Steuererhöhungen für Reiche nicht mitmachen werde. Man wartet ab, ob nicht vielleicht Cuomo, der nun seine Kandidatur als Unabhängiger angesagt hat, doch noch wieder aufersteht.
Sogar Eric Adams, der amtierende und der Korruption und offensichtlichen Inkompetenz überführte Bürgermeister, ist noch im Gespräch. Strategiedebatten für die Zwischenwahlen im kommenden Jahr und für die Präsidentschaftswahl 2028 werden zwar hinter verschlossenen Türen, aber dennoch bereits geführt. Soll man vielleicht Kampagnen doch auf jüngere Wähler:innen zuschneiden und auf den linken Flügel der Partei setzen? Hat das Biden/Harris-Debakel bei den Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr nicht gezeigt, dass man den Mut haben muss, neue Wege einzuschlagen?
Immerhin geht das Establishment der Demokratischen Partei noch nicht so weit wie die Rechten, die Zohran Mamdani als gefährlichen „Kommunisten“ zeichnen, wie Trump es jüngst sagte. Oder, das vor allem: als Antisemiten. Alleine Cuomo probierte während des Wahlkampfs, Mamdanis islamischen Glauben und seine Nähe zur Pro-Palästina-Bewegung auszunutzen, um die jüdischen Wähler:innen in New York für sich zu gewinnen.
Gegen Israel
Das kam jedoch selbst in der größten jüdischen Community außerhalb von Israel nicht gut an. „Ich glaube nicht, dass er ein Antisemit ist“, sagt etwa die Journalistin Joann Gonchar. Immer wieder hat Mamdani öffentlich betont, dass er sich gegen die Politik Israels stelle – und zugleich gegen Antisemitismus sei. Zudem gibt es außer Brad Lander, dem Stadtkämmerer, auch noch andere jüdische Menschen in Mamdanis engstem Umfeld. „Ich halte ihn für einen aufrichtigen Menschen“, sagt jedenfalls Gonchar. Daüber hinaus, merkt die Journalistin an, betreibe der Bürgermeister von New York ja keine Außenpolitik. Ihr sei es viel wichtiger, ob es Mamdani wirklich gelingen könnte, sein Ziel eines New Yorks für alle durchzusetzen.
Vor allem von der rechten Presse wird ihm jedoch noch immer der Ruf nach einer „globalen Intifada“, angekreidet. Eine Äußerung, die er auch nie ganz überzeugend entkräften konnte. Er habe damit einen weltweiten, postkolonialen Gerechtigkeitskampf gemeint, sagte er. Doch das beruhigt längst nicht alle.
Das New York Magazine glaubt hingegen, dass seine klare Haltung gegen die israelische Politik sogar eine Lehre für die Demokratische Partei sei. Dass Mamdani mit dieser Haltung bei der Basis Erfolg habe, zeige doch, dass auch diese sich etwas anderes wünsche, als blinde Solidarität mit der Gaza-Kriegsführung des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu. Der Rabbi Jay Michaelson schrieb sogar im jüdischen Forward, dass man auch innerhalb der jüdischen Community daraus lernen könne, und zwar das: einen differenzierten politischen Diskurs zu führen.
Bleibt der Makel der mangelnden politischen Erfahrung, den seine Gegner für die Hauptwahl im November gegen ihn in Stellung bringen. Ein Argument, mit dem sich weiland auch Ex-Präsident Barack Obama und die junge demokratische Abgeordnete Ocasio-Cortez herumschlagen mussten.
Jung, aber motivierend
Wirklich geschadet hat es ihnen allerdings dann nicht. Joseph O’Neill, der ja, was die über New York hinausgehende politische Bedeutung von Mamdani angeht, zurückhaltend ist, sagt jedenfalls: „Ich möchte nicht gegen ihn antreten müssen.“
Im Brickyard, der Kneipe mitten in Manhattan, wird die Stimmung derweil mit jedem Bier ausgelassener. „So motiviert war ich seit Langem nicht mehr“, sagt Alan, ein Hotelfachmann im Alter von Mamdani, der in den vergangenen Wochen jede Minute seiner Freizeit für den Wahlkampf geopfert hat.
Und er kann es kaum erwarten, für den Hauptwahlkampf gegen Cuomo, Adams und den Republikaner Curtis Sliwa wieder Listen abzutelefonieren, Freiwillige auszubilden und an Türen in Queens, Brooklyn und der Bronx zu klopfen. „Es nimmt einem das Gefühl der Ohnmacht“, sagt er. Und es verleiht ganz konkret das Gefühl, dass das jetzige Amerika doch nicht das wirkliche Amerika ist. Dass dieses Land ein besseres Land sein kann.
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