Bundesaußenminister in Israel: Klare Worte und etwas Irritation
Johann Wadephul hat eine Botschaft mit nach Israel gebracht: Die Lage in Gaza muss sich verbessern. Zuerst aber muss er ein Missverständnis ausräumen.

Als Wadephul am Donnerstagmittag im Flieger nach Tel Aviv sitzt, hat er in Israel zunächst schon einmal mit einer Irritation für Aufregung gesorgt. Vor dem Abflug hatte er noch einmal erklärt, dass die Zweistaatenlösung der einzige nachhaltige Ausweg aus dem Konflikt sei, für Deutschland die Anerkennung eines palästinensischen Staates aber „eher am Endes des Prozesses“ stehe. Es ist eine Position, die Deutschland schon lange vertritt. Dann aber hieß es in Wadephuls Stellungnahme: „Aber ein solcher Prozess muss jetzt beginnen.“
Diese Formulierung habe, wie Wadephul später erklärt, zu einem Missverständnis geführt, das er erst einmal ausräumen muss. Dennoch brachte es dem deutschen Verbündeten, der aus historischer Verantwortung trotz allem fest an der Seite Israels steht, einen Nazi-Vorwurf von Israels rechtsextremem Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, ein. Und trotz aller Klärung betonte auch Wadephuls erster Gesprächspartner, Israels Außenminister Gideon Sa’ar, nach dem Treffen schriftlich, dass es einen palästinensischen Staat nicht geben werde. Kein guter Start also in den zweiten Israel-Besuch des Ministers innerhalb von drei Monaten.
Als Wadephul dann, nach weiteren Gesprächen mit Premierminister Benjamin Netanjahu und Staatspräsident Jitzchak Herzog am späteren Abend im King David Hotel in Jerusalem vor der Presse steht, gibt er sich dennoch zuversichtlich. Sein Auftrag sei es gewesen, der israelischen Seite zu sagen, dass sie im Gazastreifen jetzt handeln müsse und nicht erst irgendwann. „Ich habe den Eindruck, dass das heute verstanden wurde.“
Für einen Waffenstillstand
Auch brauche man Klarheit von Israel, „dass keine Politik der Vertreibung und keine Politik der aktiven Annexion betrieben wird“. Am Freitag will Wadephul erst in Jerusalem Vertreter der UN und dann Palästinenserpräsident Mahmud Abbas Ramallah treffen, dann werden vermutlich neben der humanitären Lage im Gazastreifen genau das die Themen sein.
Er habe in seinem Gespräch mit dem israelischen Außenminister ganz zu Anfang nochmals unterstrichen, dass Deutschland fest an der Seite Israels steht, bei dem Ziel, nun endlich die Geiseln freizubekommen, sagt Wadephul. „Ganz klar ist: Um diesem Ziel näherzukommen, braucht es jetzt mehr als Kampfpausen. Wir brauchen jetzt einen Waffenstillstand in Gaza. Es ist an der Zeit, diesen Krieg zu beenden.“ Das sei auch eine Botschaft dieser Reise, die zuallererst aber an die Hamas gerichtet sei.
Am Freitagmorgen traf Wadephul in Jerusalem dann Angehörige israelischer Geiseln, die von der Hamas im Gazastreifen gefangen gehalten werden. „Das gestern öffentlich gewordene, schreckliche Video, auf dem die deutsche Geisel Rom Braslavski vorgeführt wird, zeigt aufs Neue die ganze Niedertracht der Geiselnehmer“, erklärte Wadephul. Seine Gedanken seien bei all den Familien, deren Liebste von Terroristen nach Gaza verschleppt wurden. „Deutschland tut weiter alles in unserer Macht stehende, um eine Befreiung der Geiseln zu erreichen“.
In vielerlei Hinsicht stünden der Nahost-Friedensprozess und letztlich die ganze Region an einem „Scheideweg“, hatte der Außenminister schon am Donnerstag gesagt. Er verwies auf Diskussionen in der Europäischen Union über Sanktionen gegen Israel und auf die steigende Bereitschaft, einen palästinensischen Staat anzuerkennen. „Israel läuft Gefahr, international immer weiter isoliert zu werden. Ich sehe es als Deutschlands Aufgabe an, alles dafür zu tun, das zu verhindern.“ Auch deshalb sei er nach Israel gekommen. Frankreich und Kanada haben gerade angekündigt, Palästina als Staat anzuerkennen, Großbritannien erwägt, dies zu tun. Das wären die drei ersten G7-Staaten.
Inzwischen sind nach einer neuen Umfrage auch drei Viertel der Deutschen der Meinung, die Bundesregierung mehr Druck auf Israel ausüben soll. Die Bundesregierung wird am Samstag, nach Wadephuls Rückkehr, wieder darüber beraten, wie sie mit der Lage umgehen will. In der EU wird neben einer teilweise Aussetzung des Assoziierungsabkommens unter anderem auch erwogen, die Teilnahme Israels am Forschungsförderungsprogramm „Horizon Europe“ teils auf Eis zu legen.
CSU ist gegen Sanktionen
Während in der SPD zunehmend eine härtere Gangart gegen Israel gefordert wird, hat die CSU Sanktionen bereits erneut ausgeschlossen. Generalsekretär Martin Huber betonte gegenüber dem RND, der Schlüssel für ein Ende des Konflikts liege bei der Hamas – was auch in Israel auch immer wieder Teil von Wadephuls Ausführungen war. „Kritik an der israelischen Regierung ist möglich, aber Sanktionen unter Freunden auf keinen Fall“, sagte Huber.
Auch Einreiseverbote für israelische Politiker, wie die Niederlande sie gerade gegen die rechtsextremen Minister Ben-Gvir und Bezalel Smotrich verhängt haben, zieht Huber nicht in Betracht: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir gegenüber der demokratisch legitimierten Regierung Israels Einreiseverbote erlassen“. Eine leichte Diskussion wird das am Samstag also nicht. Aber vermutlich wird man ohnehin erst einmal abwarten, ob Israel dieses Mal das umsetzt, was es zugesagt hat.
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