Bundesrechnungshof zur Bundeswehr: Was heißt schon „einsatzbereit“…

Der Bundesrechnungshof berichtet, dass Waffensysteme als einsatzbereit bewertet werden, obwohl Teile fehlen. Die Grünen sprechen von „fragwürdigen Zahlen“.

In der linken Bildhälfte eine Frau in Anzug, in der rechten Bildhälfte ein Soldat in Uniform

Inszeniert Ursula von der Leyen (links) sich gerne als „Meisterin der Transparenz“? Foto: dpa

BERLIN afp | Der Bundesrechnungshof wirft Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) vor, das Parlament nur unzureichend über die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr zu informieren. Aus den Berichten des Ministeriums an den Bundestag gehe „nicht hinreichend deutlich hervor, dass einige Waffensysteme nur eingeschränkt einsatzbereit sind“, bemängelt der Rechnungshof in einem Bericht an den Haushaltsausschuss, welcher der Nachrichtenagentur AFP vorlag. Zuerst hatte die Bild-Zeitung darüber berichtet.

So bewerte das Verteidigungsministerium Waffensysteme als einsatzbereit, „obwohl bei manchen Systemen nicht alle Komponenten verfügbar waren oder Ersatzteile fehlten und die Systeme deshalb nur zur Ausbildung genutzt werden konnten“, moniert der Rechnungshof. „Generell sollte das Ministerium stärker verdeutlichen, für welche Zwecke ein System einsatzbereit ist.“

Auch kritisieren die Prüfer, dass der jüngste Ministeriumsbericht keinen Zusammenhang zwischen Aspekten der materiellen und der personellen Einsatzbereitschaft herstelle. „Wenn Personal fehlt, kann die Bundeswehr ihre Waffensysteme nicht wie beabsichtigt einsetzen.“ Der Rechnungshof fordert das Verteidigungsministerium zudem auf, künftig den Bereich Cyber in seine Berichte aufzunehmen, da die Bundeswehr „nur mit einsatzfähigen Kommunikationssystemen“ handlungsfähig sei.

Der Rechnungshof untermauert seine Kritik anhand mehrerer Beispiele. So seien bei der Marine Korvetten als einsatzbereit bewertet worden, „obwohl diese lange Zeit nicht über einsatzbereite Lenkflugkörper verfügten“.

Zu 43 Prozent einsatzbereit

Wegen der personellen und materiellen Probleme habe die Marine ihre Beteiligung an Einsätzen im Vergleich zur ursprünglichen Planung reduzieren müssen, heißt es weiter. Bei der EU-Mission „Atalanta“ gegen Piraterie vor Somalia habe die Marine ihre Beteiligung zeitweise ausgesetzt; bei der EU-Mission „Sophia“ gegen Schleuser im Mittelmeer sei nur eine statt zwei schwimmende Einheiten eingesetzt worden.

Beim Heer ist laut Rechnungshof die materielle Einsatzbereitschaft des Schützenpanzers Puma mit lediglich 43 Prozent im Jahr 2017 besonders problematisch. Dabei bewerte von der Leyens Haus den Panzer bereits als „bedingt einsatzbereit“, wenn er für die Umschulung und Truppenausbildung genutzt werden könne. Für eine „volle Einsatzreife“ müssten aber noch wichtige Systemkomponenten nachgerüstet werden.

Das Verteidigungsministerium wies die Darstellung des Bundesrechnungshofs zurück. Ein Sprecher sagte am Samstag in Berlin, „in diesem Fall teilen wir die Sachstandsdarstellung“ nicht. Im jährlichen Bericht des Ministeriums werde „sehr genau“ definiert, wie sich die materielle Einsatzbereitschaft darstelle, nämlich immer „auch auf den geplanten Verwendungszweck“ bezogen.

So sei „aus militärischer Sicht ein Schiff einsatzbereit, wenn es für einen bestimmten Einsatzzweck die notwendige Ausrüstung und Bewaffnung besitzt“, fügte der Ministeriumssprecher hinzu. Daher würden Schiffe, die etwa für die Mittelmeer-Mission „Sophia“ vorgesehen seien, als einsatzbereit gewertet, „auch wenn sie womöglich keine Lenkflugkörper an Bord haben“.

Inszenierung als „Meisterin von Transparenz“

Die Aussage, die Marine könne internationale Zusagen nicht erfüllen, sei „vollkommen falsch“, fügte der Ministeriumssprecher hinzu. Sowohl bei „Atalanta“ als auch bei „Sophia“ würden alle Verpflichtungen erfüllt.

Dagegen erklärte der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen, Tobias Lindner, von der Leyen inszeniere sich gerne „als Meisterin von Transparenz“, nenne aber in ihren Berichten „sehr fragwürdige Zahlen“. „Wer Schiffe oder U-Boote als einsatzbereit bezeichnet, obwohl es an Munition oder Personal fehlt, erweckt einen falschen Eindruck gegenüber der Öffentlichkeit.“

Der Bericht des Rechnungshofes zeige, dass nach wie vor Missmanagement in vielen Bereichen an der Tagesordnung sei, fügte Lindner hinzu, der auch Mitglied im Haushaltsausschuss ist. Die Ministerin könne in einer solchen Situation „nicht ernsthaft noch mehr Geld für die Bundeswehr fordern“.

Der verteidigungspolitische Sprecher der Linken, Tobias Pflüger, kritisierte, „an einer wirklichen, offenen Bestandsaufnahme des Bundeswehrmaterials besteht gerade offensichtlich kein Interesse“.

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