Bundestag beschließt Baugesetz: Turbo mit zweifelhafter Wirkung
Mit dem Bau-Turbo sollen Planungsprozesse beschleunigt werden. Grüne und Linke befürchten, dass das die Bodenspekulation anheizen wird.
Am Donnerstag hat der Bundestag den sogenannten Bau-Turbo beschlossen. Für den Gesetzentwurf stimmten die Fraktionen von CDU/CSU und SPD, die Opposition stimmte erwartungsgemäß dagegen. Mit dem Bau-Turbo sollen vor allem Planungsprozesse beschleunigt werden. Auch soll das Aufstocken oder Bauen in zweiter Reihe erleichtert werden.
Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) sprach von einem „mutigen Instrument, das unser Land wirklich voranbringen kann“. Es müsse mehr und schneller gebaut werden in Deutschland. Statt fünf Jahre für ein Bebauungsplanverfahren zu brauchen, könne „die Gemeinde dem Bauvorhaben jetzt innerhalb von drei Monaten zustimmen“, erklärte sie.
Möglich wird das durch die Einführung des neuen Paragrafen 246e im Baugesetzbuch (BauGB). Diese bis zum 31. Dezember 2030 befristete Experimentierklausel ermöglicht Abweichungen vom Planungsrecht. Entscheidet sich zum Beispiel eine Kommune, den Bau-Turbo anzuwenden, kann sie neue Wohnungen bereits nach einer dreimonatigen Prüfung zulassen. Langwierige Bebauungspläne, die oft Jahre brauchen, sollen dann nicht mehr notwendig sein.
Bauministerin Hubertz betonte in ihrer Rede, dass Gemeinden selbst entscheiden, „ob sie die Beschleunigung haben wollen oder nicht“. Der Bau-Turbo gilt nicht nur für Wohnungsbauten, sondern auch für soziale und kulturelle Infrastruktur, zum Beispiel für Kitas, Schulen oder Theater. Auf eine Schätzung, wie viele neue Wohnungen damit gebaut werden könnten, verzichtete Hubertz bewusst.
2024 wurden in Deutschland nur 251.900 Neubauwohnungen fertiggestellt, noch weniger als 2023. Die Ampelregierung hatte seinerzeit das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr ausgegeben, davon 100.000 Sozialwohnungen. Dieses Ziel wurde nie erreicht.
Grüner spricht von Mogelpackung
Der baupolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jan-Marco Luczak, lobte das neue Gesetz als „Quantensprung“. Der Bau-Turbo gelte nicht nur in angespannten Wohnungsmärkten, sondern überall. Und er sei nicht nur für Mehrfamilienhäuser, sondern auch für Einfamilienhäuser anwendbar. Luczak kündigte eine weitere Baunovelle an: Bauvorschriften müssten „strukturell und dauerhaft entschlackt werden“. Der Bau-Turbo sei nur eine Zwischenlösung.
Der grüne Bundestagsabgeordnete Kassem Taher Saleh war weniger überzeugt. Er sprach von einer „Mogelpackung“, die Bodenspekulation begünstige und Ökosysteme zerstöre. Er forderte Quoten für sozialen und gemeinwohlorientierten Wohnraum sowie eine Bauverpflichtung, „damit genehmigte Projekte auch wirklich umgesetzt werden“. Vor allem müssten vorhandene Potenziale besser genutzt und mehr umgebaut werden.
Auch die baupolitische Sprecherin der Linksfraktion, Katalin Gennburg, kritisierte, dass der Turbo die Mietenkrise „weiter verschärfen“ werde. „Die Neubauten von heute dürfen nicht zu den Problemen von morgen werden“, sagte sie. Es brauche stattdessen eine kommunale Wohnraumoffensive mit einem klaren Fokus auf den Umbau im Bestand.
Mehrere Wirtschaftsverbände forderten die tatsächliche Umsetzung des Bau-Turbos ein. Gebaut sei „damit noch lange nichts“, teilte der Immobilienverband GdW mit. Es brauche eine echte Beschleunigung – „digitale und effizientere Verfahren, weniger Bürokratie, verbindliche Zeitpläne“. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie mahnte an, dass schnellere Genehmigungsverfahren „nichts an hohen Baukosten oder überzogenen, gesetzlich verankerten Anforderungen an Wohngebäude“ änderten.
Mit dem neuen Gesetz wird auch der Umwandlungsschutz in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt um fünf Jahre verlängert. Miethäuser dürfen dort dann nicht in Eigentumswohnungen umgewandelt werden – denn dieser Prozess führt zu Verdrängung. Der deutsche Mieterbund kritisierte die Befristung. „Bauland war noch nie so teuer wie heute“, erklärte die Präsidentin des Deutschen Mieterbundes, Melanie Weber-Moritz. Dieses müsse dem freien Markt weitgehend entzogen werden.
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