Bundestagsabgeordnete tritt aus: AfD-Fraktion schrumpft weiter

Die sächsische Bundestagsabgeordnete Verena Hartmann verlässt Partei und Fraktion. Und kritisiert den rechtsextremen „Flügel“ scharf.

Verena Hartmann bei einer Rede im Bundestag.

Ab jetzt ohne Partei und Fraktion: Verena Hartmann bei einer Rede im Bundestag Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Jetzt sind es schon fünf fraktionslose Abgeordnete, die ihre Plätze in der letzten Reihe im Bundestag hinter der AfD haben, zu der sie zuvor gehörten. Hier wird künftig auch Verena Hartmann Platz nehmen. Die sächsische Abgeordnete trat am Montag mit sofortiger Wirkung aus der AfD-Fraktion und auch aus der Partei aus. Ihre Begründung: der immer größer werdende Einfluss des „Flügels“, der extrem rechten Parteiströmung um Björn Höcke und Andreas Kalbitz.

„Da ist auch der rechte Flügel, der um jeden Preis nur nach Macht und Einflussnahme strebt und die ganze Fraktion mit seinen Grabenkämpfen vereinnahmt“, heißt es in einer Erklärung, die Hartmann am Dienstagvormittag auf ihrer Facebook-Seite veröffentlichte. „Diejenigen, die sich gegen diese rechtsextreme Strömung wehren, werden gnadenlos aus der Partei gedrängt.“ Der Flügel wolle die AfD voll und ganz übernehmen, da sich mit diesem ‚Etikett‘ mehr erreichen lasse „als mit dem adäquateren NPD-Label“. Damit habe die Partei eine Richtung eingeschlagen, die Hartmann nicht mittragen könne.

Auf dem AfD-Bundesparteitag seien die schlimmsten Befürchtungen wahr geworden: „Der Flügel mit seinen rechtsextremen Gebaren nach innen und außen hat es bis an die Spitze der Partei geschafft. Durch neue Bündnisse, die vor einem Jahr unvorstellbar waren.“ Namen nennt Hartmann nicht. Sie dürfte aber unter anderem Fraktionschefin Alice Weidel meinen, die zuletzt beim neurechten Institut für Staatspolitik von „Flügel“-Vordenker Götz Kubitschek gesprochen hatte – und ohne Gegenkandidat zur stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt worden war.

Weidels Co-Chef Alexander Gauland kritisiert sie offen, weil dieser Höcke zur „Mitte der Partei“ erklärt habe. Damit verschiebe er die Mitte nach rechts „und zwingt die gesamte Partei mitzugehen“.

Hartmann will als fraktionsloses Mitglied im Bundestag bleiben. Sie hatte im vergangenen Sommer den „Appell der Hundert“ unterschrieben, in dem Parteimitglieder den „exzessiven Personenkult“ um Höcke kritisierten – und sich damit offen gegen den „Flügel“ positioniert.

„Wir machen dich fertig!“

Schon zuvor war Hartmann mit dem Bundestagsabgeordneten Jens Maier, einem Vertreter des „Flügels“ und wie Hartmann aus Sachsen, aneinandergeraten. Der frühere Richter hatte ihr in einer Fraktionssitzung gedroht: „Wir machen dich fertig!“ Nach diesem Streit wollte die Fraktionsführung einen internen Sanktionskatalog einführen, konnte sich damit aber nicht durchsetzen.

Schon vor Monaten war aus dem sächsischen Umfeld der Partei zu hören, Hartmann sei aus Sachsen nach Berlin umgezogen, weil ihr der „Flügel“ das Leben schwer gemacht habe.

„Das ist sehr unschön, wir bedauern das sehr“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, am Dienstag zu Hartmanns Austritt. „Ich muss mit Verena Hartmann auch noch mal sprechen.“

Über die Parteigrenzen hinaus war Hartmann wenig aufgefallen. Allein ein Tweet von ihr sorgte für Furore. Nach dem Tod eines achtjährigen Jungen am Frankfurter Hauptbahnhof schrieb sie: „Frau Merkel, ich verfluche den Tag Ihrer Geburt.“ Nachdem sie dafür scharf kritisiert wurde, löschte sie den Tweet irgendwann.

Die AfD-Fraktion hat nach Hartmanns Austritt nur noch 89 Bundestagsabgeordnete, fünf weniger als 2017. Die Erste, die die Fraktion verließ, war Ex-Parteichefin Frauke Petry. Im Dezember erst hatte Lars Herrmann, ein Bundespolizist, seinen Austritt erklärt – auch er hatte Kritik am „Flügel“ geübt, auch er stammt aus Sachsen. Allerdings hatte wohl auch eine mögliche Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz für ihn als Beamten eine Rolle gespielt.

Auch Hartmann war früher Polizistin. Vor ihrem Einzug in den Bundestag aber arbeite sie bei einer Unternehmensberatung. Angst um den eigenen Beamtenstatus dürfte – anders als bei Herrmann – also keine Rolle gespielt haben.

Schon länger gehen BeobachterInnen der AfD davon aus, dass der zunehmende Einfluss des Flügels auf die Gesamtpartei nicht zu einer weiteren Abspaltung führen werde – dazu sind die anderen Strömungen nicht organisiert genug –, sondern es eher zu stillen Abgängen kommen werde. Hartmanns Austritt ist dafür ein weiterer Beleg.

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