Bundestagsbeschluss zu Arzneimitteln: Die Pharmalobby war erfolgreich

Der Bundestag beschließt am Donnerstag ein wenig nützliches Arzneimittel-Sparpaket. Vom angekündigten Paradigmenwechsel des Minister Röslers ist nicht viel übrig.

Auch nach dem Bundestagsbeschluss wird es wohl weiter Ärger über Medikamentenpreise geben. Bild: dapd

BERLIN taz | Angetreten war der Bundesgesundheitsminister mit einem Versprechen: Das "Preismonopol der Pharmaindustrie" werde gebrochen, verkündete Philipp Rösler (FDP) im Frühsommer bei der Vorstellung seines Gesetzentwurfs zur Neuordnung des Arzneimittelmarkts (AMNOG). Schluss müsse sein mit der europaweit einmaligen Regelung, wonach in Deutschland die Industrie die Preise für ihre patentgeschützten Medikamente festsetzen darf - unabhängig davon, ob es sich um Scheininnovationen handelt.

Alle neuen Medikamente, so Rösler damals, würden deshalb künftig systematisch auf ihren patientenrelevanten Nutzen hin geprüft von Deutschlands "Medizin-TÜV", dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Und nur was zusätzlich nutze, dürfe zusätzlich kosten. Röslers Ziel: jährlich zwei Milliarden Euro einzusparen, bei Arzneimittelausgaben von insgesamt 32 Milliarden Euro. Das ist mehr Geld, als die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) 2009 für alle Arztbehandlungen zusammen ausgab.

Das Arzneimittel-Spargesetz, das an diesem Donnerstag vom Bundestag verabschiedet wird und zum 1. Januar 2011 in Kraft tritt, hat mit dem angekündigten Paradigmenwechsel nichts mehr zu tun. Unzählige Änderungsanträge und erfolgreiche Lobbyarbeit der Hersteller haben die vermeintliche Nutzenbewertung zu einer kaum aussagekräftigen Prognose degradiert.

Die Kontrolleure des IQWiG müssen ihre Expertise künftig bereits drei Monate nach Zulassung des Medikaments vorlegen. Auf dieser Grundlage wird anschließend nur noch zwischen den Herstellern und der GKV um den Preis "gefeilscht", wie der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach schimpft. Das Problem: Zu diesem frühen Zeitpunkt liegen für die wenigsten Medikamente Studien vor, die Aufschluss über einen Nutzen geben könnten, der über die reine Wirksamkeit hinausgeht.

Ein Beispiel: Ein Krebspräparat wird zum Verkauf bereits zugelassen, wenn nachgewiesen ist, dass es den Tumor schrumpfen lässt. Ob es dem Patienten tatsächlich jedoch mehr schadet als nutzt, weil die sonstigen Nebenwirkungen ihn zum Pflegefall machen, kann oft erst Jahre später durch vergleichende Therapiestudien ermittelt werden. "Eine zwingende spätere Nutzenbewertung ist aber nicht vorgesehen", beklagt der Bremer Arzneimittelforscher Gerd Glaeske.

Dem IQWiG bleibe in den meisten Fällen nichts anderes übrig, als einen Zusatznutzen zu bescheinigen. Für Medikamente zur Behandlung sehr seltener Krankheiten soll die Bewertung gar ganz entfallen. Und: Vom Leistungskatalog der Krankenversicherung ausgeschlossen werden darf ein Medikament nur noch, wenn es nachweislich "unzweckmäßig" ist - eine wissenschaftliche Unmöglichkeit.

Das IQWiG, bislang für seine strengen Expertisen von der Industrie gefürchtet und bekämpft, wird damit zum Feigenblatt. Schlimmer noch: Was Zusatznutzen ist, wird künftig nicht mehr wissenschaftlich definiert, sondern politisch: per Rechtsverordnung durch das Ministerium. Der entsprechende Entwurf vom 8. November 2010, der der taz vorliegt, manifestiert auf 18 Seiten die irrige Annahme: Der Nutzen eines Medikaments sei bereits mit seiner Zulassung bestätigt.

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